Die Korrespondenz zwischen Georg Lukács und Peter Ludz[1]
[Peter Ludz‘ Entwurf zum geplanten Lukács-Band][2]
Dr. Peter Ludz[3]
Georg Lukács: Politische Philosophie (Philosophie und Politik)
Am 28. Nov. 1962
1 „Der Bolschewismus als moralisches Problem“ (1918), aus dem Ungarischen übertragen
2 [„]Taktik und Ethik[„] (1919), aus dem Ungarischen übertragen
3 [„]Weltreaktion und Weltrevolution[“] (1920)
4 „Was ist orthodoxer Marxismus?“ (1919)
5 „Zur Organisationsfrage der Intellektuellen“ (1920)
6 „Zur Frage des Parlamentarismus“ (1920)
7 „Organisationsfragen der dritten Internationale“ (1920)
8 „Die moralische Sendung der Kommunist[isch]en Partei“ (1920)
9 „Opportunismus und Putschismus“ (1920)
10 „Kassel und Halle“ (1920)
11 „Alte und neue Kultur“ (1920)
12 „Organisatorische Fragen der Revolutionären Initiative“ (1921)
13 [„]Lenin. Studie über den Zusammenhang seiner Gedanken[“] (1924)
14 „Die neue Ausgabe von Lassalles Briefen“ (1925)
15 „Moses Hess und die Probleme der idealistischen Dialektik“ (1926)
16 [„]Blum-Thesen[“] (1928)
17 „Mein Weg zu Marx“ (1933)
18 „Zum Verfassungsentwurf der UdSSR. Die neue Verfassung und das Problem der Persönlichkeit“ (1936)
19 „Die Erkenntnistheorie Lenins und die Probleme der modernen Philosophie“ (1946–47)
20 [„]Vortrag über „L’esprit européen“[“] (1947), aus dem Französischen übersetzt
21 „Der Kampf des Fortschritts und der Reaktion in der heutigen Kultur“ (1956)
22 [„]Postscriptum zu „Mein Weg zu Marx“[“] (1958), aus dem Französischen übertragen
[in Lukács‘ Handschrift:] Bucharin (Grünberg XI 216[)][4]
1. Georg Lukács an Peter Ludz 16. Juli 63
Verehrter Herr Doktor Ludz!
den 16. Juli 63
Es tut mir sehr leid, dass wir keine Gelegenheit zur Aussprache gehabt hatten. Denn schon das kurze Gespräch am Telephon hat einige Fragen geklärt. Ich möchte also gleich feststellen, dass ich mit Ihrem Plan, den Aufsatz über den jungen Marx[5] in die Sammlung aufzunehmen, einverstanden bin. Auch das halte ich für richtig, dass ein Aufsatz über Lenin in die Sammlung hineinkommt. Ich würde aber für richtiger halten, wenn der spätere Aufsatz über Lenins Erkenntnistheorie (Ihr Entwurf Nr. 19.)[6] in die Sammlung käme, statt der Monographie über Lenin (ebd. Nr. 13).[7] Denn erstens ist der spätere Aufsatz viel reifer, zweitens hat er ungefähr ein Drittel des Umfangs des ersten. Dazu kommt noch, dass es auch richtig wäre, zu zeigen, dass das unbedingte Bekenntnis zu Lenin keine „Jugenderscheinung” ist. Ich bin mit Ihnen auch damit einverstanden, dass der Aufsatz „Aktualität und Flucht” (mein Entwurf Nr. 13.)[8] wegbleiben soll. Ich wäre Ihnen aber dankbar, wenn Sie im Vorwort oder in den Anmerkungen auf die Existenz dieses Aufsatzes kurz hinweisen würden, nämlich auf die Tatsache, dass ich den antifaschistischen Kampf auch nach dem Pakt von 1939 fortgesetzt habe.
Ich schicke Ihnen meinen Entwurf beiliegend. Ich möchte nur folgende Bemerkungen machen. Erstens glaube ich nicht, dass bei den Blum-Thesen es notwendig wäre, die Diskussion von 1956 abzudrucken. Es würde genügen, jenen Teil, in welchem ich eine Skizze der politischen Linie der Landler-Fraktion und ihres politischen Gegensatzes zur Kunfraktion gebe, im Vorwort oder im Anmerkungsmaterial erscheinen würde [sic!] (als Erklärung zu den Nummern 7 und 11).[9] Neu für Sie wird der Vorschlag sein, dass ich meinen Aufsatz aus dem Jahre 1925 gegen Bucharin[10] hereingenommen habe. Man muss aber dazu wissen, dass B. damals am Gipfel seiner Macht stand (der Konflikt mit Stalin brach erst 1928 aus). Das müsste natürlich in einer Anmerkung oder im Vorwort angegeben werden. Was nun die drei ungarischen Aufsätze aus der Rákosi-Zeit betrifft (Nr. 16, 17 und 19 meines Entwurfs),[11] so halte ich darin 16 und 19 für unbedingt notwendig; bei Nr. 17, Literatur und Demokratie II, bitte ich Ihre Meinung, ob Sie den Aufsatz für heute aktuell halten; er kann ja wegbleiben, da die beiden anderen Aufsätze meine Stellungnahme in der Rákosi-Zeit hinreichend charakterisieren.
Das waren meine Vorschläge. Bitte, antworten Sie darauf, damit wir so viel wie möglich, auch brieflich klären können. Das bedeutet nicht, dass ich mich nicht mit Ihrem Besuch [!] sehr freuen würde. Ich bin bis Anfangs September in Budapest und komme Ende September wieder zurück.
Mit herzlichen Grüssen Ihr
Georg Lukács
2. Peter Ludz an Georg Lukács 28. Juli 1963
Peter Ludz
Berlin 37
Neue Str. 19
Am 28. Juli 1963
Sehr verehrter, lieber Herr Lukács,
für Ihren Brief und Themenvorschlag vom 16. Juli, die ich erst heute erhielt, haben Sie herzlichen Dank! Gleichzeitig darf ich Ihnen noch einmal sagen, wie schmerzlich es für mich war, aus Wien unverrichteter Dinge wieder abreisen zu müssen. Für Ihr freundliches Interesse an einem Gespräch danke ich Ihnen ebenfalls. Ich bin sicher, daß es sich noch ermöglichen lassen wird.
Anbei übersende ich Ihnen meine Vorschlagsliste, so wie ich sie Ihnen in Budapest eigentlich überreichen wollte.
Folgende Titel Ihrer Liste sind, wie Sie sehen, auch in meiner zweiten Liste enthalten: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 8, 9, 10, 11, 13, 14, 15, 18, 20, 21, 22, 23, 25, 26, 27. Über diese Titel ist also ein Gespräch nicht nötig.
Zunächst einige Klarstellungen:
Falls es sich bei Ihrem Titel Nr. 7. um den Abschnitt „Noch einmal Illusionspolitik” aus dem Buch von L. Rudas „Abenteurer und Liquidatorentum” handelt, bin ich auch damit völlig einverstanden. Auch dieser Titel ist in meiner Liste enthalten.
Bei Ihrem Titel Nr. 22 setze ich voraus, daß es sich um „Lukács György nyilatkozik a művészeti és filozófiai irányzatok szabad vitáiról a szocialista realizmus…”[12] (Szabad Nép, 14. 10. 1956) handelt; bei Ihrem Titel 23 nehme ich an, daß Sie den in Szabad Nép vom 28. Okt. 1956 abgedruckten Aufruf „Lukács György egyetemi tanár, népművelési miniszter üzenete a magyar ifjúságnak” meinen. Was die Blumthesen (Nr. 11.) angeht, so wäre ich dankbar, wenn Sie mir die Abschnitte II. und III. sowie einen Teil von V zugänglich machen könnten.[13] Ich besitze lediglich jene Teile, die im Oktober 1956 in „Párttörténeti Közlemények” abgedruckt waren. Da die Blumthesen, wie ja auch die Diskussion am 30. Juni 1956 im Institut für Parteigeschichte zeigt, auch heute noch von großer Bedeutung sind, glaube ich, daß es berechtigt wäre, sie ganz abzudrucken.[14] Von der Diskussion am 30. Juni 1956 selbst sollte ich Ihre erste längere Diskussionsbemerkung (nachdem D. Nemes das Wort genommen hatte) aufnehmen.[15] Ihr Beitrag umfaßt ungefähr 6 bis 7 Schreibmaschinenseiten. Es fehlt mir ungefähr eine Seite gegen Ende des Beitrages, beginnend mit dem Satz „Von 1921 bis 1929…”. Der Text beginnt bei mir wieder mit dem Satz „Ich glaube nicht, daß sich das Sektierertum in der ungarischen Partei nach der Befreiung auf die Frage der 1945-Neunzehnhundertler reduziert hätte, im Gegenteil…”.[16]
Ihre Nr. 18[17] besitze ich nur in Französisch (aus L’Esprit Europeen”, Paris 1947, S.165 ff.). Ist das die Originalfassung oder gibt es eine deutsche Urfassung? Wie war der genaue Titel des Vortrages?[18]
Von Ihrer Rede in Petöfi-Kreis 1956 (Nr. 20.) besitze ich nur einen Auszug. Ich würde sie aber gerne ganz abdrucken. Könnten Sie mir freundlicherweise ein vollständiges Exemplar zusenden?[19]
Ihre Nr. 19 besitze ich unter dem Titel „Art libre ou art dirigé?”[20] (Esprit, Sept. 1948, S. 273ff.). Ich nehme an, daß dieser identisch ist mit dem von Ihnen aus „Irodalom és demokrácia” genannten. Auch hier wäre die Frage ob es eine deutsche Fassung gibt?[21]
Viellicht darf ich jetzt zu den Texten kommen, die ich aus Ihrem Entwurf gerne gestrichen hätte:
Zunächst Text Nr. 13, über den wir uns schon telefonisch von Wien aus unterhalten hatten. Ich bin gern bereit, da[r]über eine Bemerkung im Vorwort zu machen, nachdem Sie seine Streichung in Ihrem Brief befürwortet haben.[22]
Dasselbe gilt für den Text Nr. 17,[23] den ich gern fortgelassen hätte. Auch den Text Nr. 24. ließe ich gern fallen. Ich bin der Meinung, daß Ihr wesentlicher Gedanke der „humanistischen Revolte” ein Wesensmerkmal Ihres Lebenswerkes ist, das auch im Text Nr. 21 wie etwa auch in Nr. 27 u. a. immer wieder hervortritt. Darüber hinaus möchte ich, der generellen Linie des Bandes folgend, auf Literatur und Kunst Bezogenes möglichst nicht in den Band aufzunehmen.
Ihre Nr. 16 „Parteipoesie 1945” kenne ich nicht, da ich den Band „Irodalom és demokrácia” nur für kurze Zeit zur Verfügung hatte und gerade diesen Artikel nicht habe übersetzen lassen.[24]
Im folgenden gehe ich auf die Titel ein, die mein zweiter Entwurf, abweichend von dem Ihren, enthält.
1. „Der Bolschewismus als moralisches Problem” (1918).[25] Trotz unseres Telefongesprächs und des von Ihnen genannten Arguments, daß das in diesem Aufsatz Enthaltene in „Taktika és ethika” aufgegangen ist, möchte ich den Aufsatz doch sehr gerne bringen, da in ihm versucht wird, die Reinheit des Marxismus aufrecht zu erhalten. Sie sagten mir telefonisch, daß dieser Artikel zu zeitgebunden ist – nun, dasselbe Argument könnte man auch gegen vieles aus der späteren Zeit gebrauchen. Es kommt doch aber, so glaube ich, darauf an, den aktuellen Wert, die Erscheinung gleichsam, immer mit dem tieferen Wert, dem Wesen der Sache, zu vergleichen und beides gegeneinander abzuwägen, und ich meine, daß auch in diesem Aufsatz das Argument der „humanistischen Revolte”, das doch für Ihr ganzes Lebenswerk den roten Faden darstellt, sehr einprägsam hervortritt.[26]
2. „Zur Frage der Bildungsarbeit” (Jugend-Internationale II/7, 1921, S. 181f.).[27] Dieser kurze Aufsatz scheint mir sehr interessant zu sein, weil er auf die Wissenschaftsproblematik, die heute ja auch wieder in West und Ost sehr stark diskutiert wird, angeht und zu Folgerungen etwa bezüglich der Soziologie kommt, die auch von mir und dem Teil der historisch denkenden Soziologen, Philosophen und politischen Wissenschaftler im Westen unterschrieben werden könnten.[28]
3. „Weltreaktion und Weltrevolution” (Vortrag, Dez. 1920). M. E. wird hier eine gute Einschätzung der imperialistischen Politik Deutschlands, die fast prophetischen Blick verrät, gegeben. Außerdem wird auch das für Ihre Frühzeit sehr wichtige Problem der Organisationsformen des Proletariats angeschnitten. Besonders wichtig scheint die Weite der politischen Gesamteinschätzung.
4. „Spontaneität der Massen, Aktivität der Partei”.[29] Hier wird das eben erwähnte Problem von Spontaneität und Organisation, besonders in der Interpretation Rosa Luxemburgs, wieder aufgenommen. Das ist wichtig, einmal wegen der Herausstel[l]ung des Einflusses von Rosa Luxemburg auf Sie in jener Periode, weiterhin wegen der historischen Bedeutung des Problems Spontaneität – Organisation im Rahmen des Leninismus. Schließlich ist dieser Aufsatz wichtig, weil er das Problem Strategie – Taktik in Ihrer sehr eigenen Sicht aufnimmt: aus der Erkenntnis der Struktur des Prozesses soll die Taktik abgeleitet werden.
5. Aus Ihrer Broschüre „Lenin” (1924) würde ich gern den Abschnitt „Revolutionäre Realpolitik” auswählen. Wir hatten über die Broschüre schon telefonisch gesprochen, nicht allerdings über diesen Abschnitt. Einmal scheint er mir wichtig, um eine gewisse Kontinuität Ihrer Beschäftigung mit Lenin zu zeigen. Zum anderen antizipiert Ihre Interpretation der Dialektik gerade in konkreter Verbindung mit der Politik die flexible ideologische Entwicklung des Chruschtschewismus.
6. „Zur philosophischen Entwicklung des jungen Marx” (1954). Mit der Aufnahme dieses Artikels sind Sie ja einverstanden gewesen.+)
Zusammenfassend darf ich sagen, daß ich den Eindruck habe, daß unsere Standpunkte bereits sehr nahe sind und daß es kein Problem sein dürfte, die wenigen, bisher noch divergierenden Punkte gemeinsam zu lösen. Nach unserem Telefongespräch habe auch ich recht eigentlich den Eindruck gewonnen, daß die Sache zu einer guten und schnellen Klärung gebracht werden kann.
Ich darf zum Abschluß vielleicht noch einmal bemerken, daß es sich bei diesem Band, den ich unter die Überschrift „Politische Philosophie” oder „Philosophische Politik” oder „Ideologie und Politik” stellen möchte, nicht nur um eine biographische Nachzeichnung Ihres Lebenswerkes handelt, sondern auch um historisch wichtige allgemeine Aussagen. Denn Ihre Analysen haben doch über das Individuelle und Besondere auch immer hinaus im Rahmen der Gesamtgeschichte des Marxismus ihren allgemeinen Wert.
Ich hoffe, daß dieser Brief recht bald in Ihre Hände kommt und nicht so lange unterwegs ist wie der Ihre an mich, und bin mit besten Grüßen und in der Hoffnung auf baldige Antwort
Ihr sehr ergebener
[in Handschrift:] Peter Ludz
+) Dasselbe gilt für den Abschnitt „Die Erkenntnistheorie Lenins und die Probleme der modernen Philosophie” aus „Existentialismus und Marxismus”.
P. S. Anbei sende ich Ihnen ein Foto, das ich aus dem Nachlaß von Karl Korsch von Hedda Korsch erhalten habe und von dem ich, nicht wissend, ob Sie es noch besitzen, für Sie eine Kopie habe anfertigen lassen.
3. Georg Lukács an Peter Ludz am 9 August 1963
den 9. August 63
Lieber Doktor Ludz!
Nach unserem Telefongespräch bleiben nur noch wenige Fragen, die geklärt werden müssen. Bei den Blum-Thesen bin ich nicht dafür, dass der ganze Text gedruckt wird. Wesentlich ist nur der Teil, der bei Ihnen ist. Das ungarische Stenogramm meiner Rede, sowie das Stenogramm meiner Rede im Petőfi-Kreis werde ich Ihnen bald schicken. Ebenso schicke ich Ihnen ein ungarisches Exemplar von „Irodalom és demokrácia”, worin die beiden Aufsätze „Parteipoesie” und „Freie und gelenkte Kunst” enthalten sind. Diese beiden Aufsätze möchte ich unbedingt bringen. Was Nr. 17 (Mein Weg zu Marx) betrifft, so kann der – glaube ich – ruhig wegbleiben.[30] Nur bei Nr. 29 (Postscriptum) müsste eine Anmerkung stehen, die auf diesen Aufsatz zurückweist. In Bezug auf die Nummern 8, 9 und 10[31] wäre ich dankbar, wenn sie mir eine Abschrift schicken würden, damit ich zu diesen Aufsätzen, deren Text ich nicht habe, endgültig Stellung nehmen könne. Dasselbe bezieht sich auf Nr. 1.[32] Auch hier spreche ich nur aus Erinnerung. Ich erinnere mich aber gut, dass ich diesen Aufsatz prinzipiell gegen Gewaltanwendung in der Verwirklichung des Sozialismus geschrieben habe. Das ist aber wirklich nur eine einmalige, episodische Stellungnahme. Schon viel früher habe ich, als Verehrer von Machiavelli und Hegel für die Gewalt in der Geschichte Stellung genommen und meine spätere Opposition z. B. gegen den Stalinismus hat mit einem solchen Standpunkt nichts zu tun. Ich glaube also, dass dieser Aufsatz nicht charakteristisch für mich ist. Nach der Lektüre werde ich endgültig Stellung nehmen.
Was nun die Reihenfolge betrifft, so muss „Taktika és etika“ der erste Aufsatz sein. Dann folgt „Was ist orthodoxer Marxismus“, dann die jetzige Nr. 2.,[33] dann der Funktionswechsel[34] und erst hierauf der Aufsatz über Parlamentarismus.[35]
Ich hoffe, dass wir so einander noch näher gekommen sind. Bitte, schreiben sie mir Ihre Bemerkungen. Ich bin bis zum 4. September in Budapest, dann bis 25. im Gebirge. Ich wiederhole, es wäre gut, wenn nach der Übereinkunft über den Text wir ein Gespräch haben könnten, damit Sie alle Ihre Probleme in Bezug Stelle und Zusammenhang dieser Aufsätze in meiner Entwicklung von mir die notwendigen Aufklärungen erhalten können. Mit herzlichen Grüssen
Ihr
Georg Lukács
4. Peter Ludz an Georg Lukács am 24. September 1963
Peter Ludz
1 Berlin 37
Neue Str. 19
Am 24. Sept. 1963
Sehr verehrter, lieber Herr Professor Lukács,
ich darf Ihnen zunächst für die Übersendung der Stenogramme und des Buches danken, die Sie Herrn Benseler mitgegeben haben.
Ihr Manuskript über den chinesisch-sowjetischen Konflikt sollte der letzte Ihrer Texte (also Nr. 31 nach meiner letzten Liste) in dem
Band sein.[36]
Heute schicke ich Ihnen Abschriften der Nummern 1, 8, 9, 10 (nach meiner letzten Liste). Sie hatten darum in Ihrem Brief vom 9. 8. gebeten. Ich möchte diese vier Manuskripte doch sehr gerne in dem Band abgedruckt sehen. Alle vier Aufsätze sind ausserordentlich wichtig und geben m. E. repräsentative Gedanken von Ihnen wieder. Mit der Drucklegung der Texte von Seiten des Verlages könnte, wenn Sie den Abdruck dieser Texte zustimmen wollten, sofort begonnen werden. Das würde dem Erscheinungsdatum des Bandes sehr zugute kommen.
Den Aufsatz über „Parteipoesie“ sehe ich gerade durch. Ich schreibe Ihnen sobald als möglich dazu noch ein Wort.
Es bleiben jetzt nur noch wenige Probleme:
(1) Ich möchte doch sehr gerne den Aufsatz „Mein Weg zu Marx“ übernehmen.[37]
(2) Gibt es von dem Vortrag, den Sie 1946 in Genf gehalten haben, nur die französische Fassung oder auch eine deutsche? Sollte man den Text eventuell französisch abdrucken oder übersetzen lassen? Wenn Sie den Text selbst in Französisch konzipiert haben, wäre ein Originalabdruck vielleicht erwägenswert. Wie ist der genaue Titel des Vortrages?[38]
(3) Mit der Umstellung der ersten sechs Titel bin ich einverstanden.
(4) Jetzt bliebe nur noch das Problem der Einleitung, bei der ich naturgemäss viele Fragen an Sie habe. Sie haben sich ihrerseits ja freundlicherweise mehrmals bereit erklärt, mir eventuell Fragen zu beantworten. Ich hoffe sehr, dass dies in später Herbst (Oktober, November) in einem mündlichen Gespräch möglich sein wird. Wenn nicht, werde ich mir erlauben, Ihnen einen ausführlichen Fragebogen zuzuschicken.
Ich hoffe, bald von Ihnen zu hören, und bin
mit ergebenen Grüssen
Ihr
[handschriftlich:] Peter Ludz
Anlagen
5. Georg Lukács an Peter Ludz am 30. Sept 63
den 30. 9. 63
Lieber Doktor Ludz!
Ich habe heute Ihren Brief vom 24. September erhalten und beantworte ihn sofort. Ich freue mich sehr, dass wir in den meisten Fragen einander ganz nahe gekommen sind. Von den mir zugeschickten Aufsätzen billige ich die Auswahl 1 [?] der Bildungsfrage und der Spontaneität der Massen.[39] (Beide gehören zur Atmosphäre von Geschichte und Klassenbewusstsein). Über die beiden anderen Aufsätze will ich noch etwas nachdenken, ich schreibe Ihnen in einigen Tagen.
Der Aufsatz „Parteipoesie“ ist ausserordentlich wichtig. Meine Stellungnahme zur Kulturpolitik der Rákosi-Zeit ist nur hier und in dem Aufsatz über freie und gelenkte Kunst an international interessanten Themen ausgedrückt. Ich möchte ihn also unbedingt in der Sammlung haben. Gegen die Aufnahme von „Mein Weg zu Marx“ habe ich keinen Einwand. Was den Genfer Vortrag 1946 betrifft, so besitze ich ein deutsches Originalmanuskript, das ich Ihnen durch das hiesige Amt für Autorenrechte zuschicken lassen werde.
Jetzt wäre es natürlich sehr wichtig, dass wir uns über alle diese Fragen unterhalten könnten. Ein Fragebogen ist nur Ersatz für ein Gespräch. Jedoch auch im Falle eines Gesprächs würde ich raten, die Fragen vorher schriftlich zu fixieren, damit nichts wichtiges unbesprochen bleibt.
Mit herzlichen Grüssen
Ihr
Georg Lukács
6. Georg Lukács an Peter Ludz am 3. Oktober 63
den 3. Okt. 63
Lieber Doktor Ludz!
Ich habe inzwischen die beiden Aufsätze aufmerksam durchgelesen und bin entschieden gegen ihre Veröffentlichung. Bei „Bolschewismus als moralisches Problem” handelt es sich um eine unreife Übergangs-Arbeit. Der 6 Wochen später geschriebene Aufsatz „Taktika és etika” enthält meinen damaligen Standpunkt in einer ausgereifteren Form. Der Aufsatz „Weltreaktion und Weltrevolution” ist eine durchschnittliche Analyse, die für den heutigen Leser nichts [I]nteressantes bietet. Ich bitte Sie also von der Veröffentlichung beider Aufsätze abzusehen.
Das deutsche Manuskript des Genfer Vortrags ist abgegangen. Ich möchte Sie nochmals aufmerksam machen, dass ich auf die Aufnahme des Aufsatzes über Parteipoesie unbedingt bestehe. Ich möchte noch bemerken, dass der Aufsatz, der in Ihrer Liste als „Art libre ou art dirigé?” figuriert, ungarisch geschrieben ist, erschien in dem Band „Irodalom és demokrácia”, den Sie besitzen. So glaube ich, dass jetzt alle Fragen erledigt sind.
Ich hoffe, dass es Ihnen bald gelingen wird hierher zu kommen.
Mit herzlichen Grüssen Ihr
Georg Lukács
7. Peter Ludz an Georg Lukács am 16. Oktober 1963
Dr. Peter Ludz
1 Berlin 37
Neue Strasse 19.
16. Oktober 1963
Herrn
Prof. Dr. Georg Lukács
Budapest V,
Belgrád RKP. 2. V. EM. 5.
Sehr verehrter, lieber Herr Professor Lukács,
herzlichen Dank für Ihren Brief vom 3. d. M. und die in Ihrem Auftrag vorgenommene Übersendung der deutschen Fassung Ihres Manuskripts über aristokratische und demokratische Weltanschauung durch das Bureau hongrois pour le protection des droits d’auteur.
Es ist nun ja traurig, dass wir mit den beiden letzten Manuskripten „Der Bolschewismus als moralisches Problem“ und „Weltreaktion und Weltrevolution“ offenbar so schwer zueinander kommen.
Ich stimme Ihnen nach gründlichem Vergleich von „Taktika és Etika“ und dem „Bolschewismus als moralisches Problem“ darin zu, dass vielleicht Gedanken des letzteren im ersteren enthalten sind. Schweren Herzens möchte ich deshalb zugeben, dass dieser Aufsatz aus der Sammlung wegbleibt.
Etwas anderes ist es allerdings mit „Weltreaktion und Weltrevolution“. Ich bin keineswegs Ihrer Auffassung, dass dieser Aufsatz eine durchschnittliche Analyse darstellt, sondern glaube vielmehr, dass eine hochinteressante Darstellung der politischen Lage Europas in Ihrer damaligen Sicht darin enthalten ist. Ich bin der Meinung, dass wir diesen Aufsatz abdrucken.[40]
Inzwischen habe ich auch den Aufsatz über „Parteipoesie“ übersetzen lassen und bin völlig mit Ihnen einer Meinung, dass dieser Aufsatz in den Band hinein muss.
So bliebe also nur noch „Weltreaktion und Weltrevolution“. Wollen wir wegen dieser Frage versuchen, mündlich ins Gespräch zu kommen? Denn ich glaube, wie Sie, dass wir den ganzen Band, der doch in seiner Anlage vielversprechend aussieht, nicht durch das Problem dieses einen Aufsatzes gefährden sollten. Selbstverständlich bin ich, wie Sie, daran interessiert, Sie in Budapest zu sehen und alle Probleme, die auch die Einleitung, Fussnoten zu den Manuskripten etc. betreffen, mit Ihnen gründlich durchzudiskutieren. Ich darf Ihnen mitteilen, dass ich bereits Schritte unternommen habe, um die Passprobleme, die einem Besuch bisher im Wege standen, zu lösen.
Ich darf Sie also, sehr verehrter Herr Professor Lukács, nochmals bitten, sich das Problem „Weltreaktion und Weltrevolution“ zu überlegen. Auf Ihre Antwort wartend, mit besten Grüssen, wie stehts,
Ihr ergebener und dankbarer
[in Handschrift:] Peter Ludz
8. Georg Lukács an Peter Ludz am 28. Oktober 1963
den 28. Oktober
Lieber Doktor Ludz!
Vielen Dank für Ihren Brief vom 16. Oktober. Hoffentlich haben Sie inzwischen das deutsche Manuskript des Genfer Vortrags erhalten.
Glücklicherweise reduzieren sich unsere Meinungsverschiedenheiten jetzt nur noch auf den einen Aufsatz „Weltreaktion und Weltrevolution”. Ich muss leider dabei bleiben, dass es sich hier um eine nicht schlechte aber durchschnittliche Analyse der Lage handelt, die in eine solche Sammlung, wo Repräsentatives gegeben sein muss, deplatziert werden [sic!][41] würde. Dazu kommt noch, dass die erste Entwicklungsetappe sowieso schon zu sehr vertreten ist, während der Akzent auf den späteren Aufsätzen liegen müsste.
Ich hoffe, dass es Ihnen bald gelingen wird, ein Visum nach Budapest zu bekommen. Ich glaube nämlich, dass es für das Vorwort und für die Notizen sehr nützlich wäre, wenn wir eine ausführliche mündliche Aussprache haben könnten. Ganz abgesehen davon, dass ich mich darauf freue, Ihre persönliche Bekanntschaft zu machen.
Mit herzlichen Grüssen Ihr
Georg Lukács
9. Peter Ludz an Georg Lukács am 12. November 1963
Dr. Peter Ludz
1 Berlin 37
Neue Str. 19.
am 12. Nov. 1963
Sehr verehrter, lieber Herr Professor Lukács,
herzlichen Dank für Ihren Brief vom 28. Oktober.
Schweren Herzens habe ich Ihre Entscheidung, die Schrift „Weltreaktion und Weltrevolution” in der geplanten Auswahl nicht zu berücksichtigen, zur Kenntnis genommen. Ich hoffe, dass wir über die in dieser Arbeit angeschnittenen Probleme selbst uns werden mündlich unterhalten können, auch wenn die Schrift nun nicht gedruckt wird.
Im wesentlichen sind ja dann zunächst alle Probleme des Abdrucks der Texte geklärt.
Ich habe nun noch einige Fragen:
Zunächst: beim Durchdenken Ihrer methodischen Positionen bin ich wieder auf einige Rezensionen gestoßen, die in den geplanten Band m. E. gut hineinpassen:
(a) die Rezension von Croce „Zur Theorie und Geschichte der Historiographie“ von 1915; (b) die Rezension von Ottmar Spanns „Kategorienlehre“ von 1928; (c) die Rezension von Robert Michels „Zur Soziologie des Parteienwesens“ ebenfalls von 1928. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir Ihre Meinung zum Abdruck dieser Besprechungen noch mitteilten.[42]
Ferner möchte ich Sie fragen, ob nicht der kurze Aufsatz „Zur Organisationsfrage der Intellektuellen“ (Kommunismus I/3, 1920, S. 14-18.) noch zum Abdruck gelangen könnte?[43]
Neben diesen Fragen darf ich Sie herzlich bitten, mir noch die folgenden weiteren beantworten zu wollen:
(1) Ich hatte Sie schon einmal nach einer möglichen deutschen Fassung von „Art libre ou art dirigé“ gefragt. Existiert eine solche Fassung?[44] Offenbar ist dieser Aufsatz mit dem Kapitel 8 Ihres Buches „Literatur und Demokratie“ identisch.[45] Falls eine deutsche Fassung existiert, wäre ich sehr glücklich, wenn Sie sie mir übermitteln würden.
(2) Die Rede, die Sie vor dem Petöfi-Kreis 1956 gehalten haben, hat keine Überschrift. Wie soll sie beim Abdruck überschrieben werden?[46] – Können Sie mir ferner den vollständigen Text der Rede zugänglich machen? Der Text in „Filozófiai Értesítő“, den Sie mir seinerzeit als Photokopie übermittelten, und das stenographische Protokoll sind zwar beide identisch, scheinen aber nicht vollständig zu sein.
(3) Von Ihrem „Postscriptum“ zu „Mein Weg zu Marx“, das ich aus der Zeitung „France Observateur“ kenne, besitze ich keine deutsche Fassung. Ist eine solche vorhanden?[47] Wenn ja, darf ich Sie bitten, mir diese zuzusenden? Stimmen Sie einer Übersetzung aus dem Französischen zu, falls keine deutsche Fassung existiert? Da ich nicht weiss, in welcher Sprache Sie den Text ursprünglich verfassten, ist es für mich schwer, diese Frage zu entscheiden.
(4) Stammt die mit „L.“ gezeichnete Besprechung der Arbeit von B. Kolozsvary „Von Revolution zu Revolution“ in der Zeitschrift „Kommunismus“ I/19 (1920), S. 608-610, von Ihnen?[48]
Ich wäre Ihnen, sehr verehrter Professor Lukács, sehr dankbar, wenn Sie diese Fragen sobald als möglich beantworten könnten.
Ich nehme an, dass wir uns Ende diesen oder Anfang des nächsten Jahres ausführlich persönlich werden unterhalten und alle Fragen der Einleitung etc. klären können.
Die Texte, über deren Abdruck Einigkeit besteht, gebe ich noch im Laufe des November an den Luchterhand-Verlag.
Mit besten Grüssen und herzlichen Dank
Ihr ergebener
[in Handschrift:] Peter Ludz[49]
10. Georg Lukács an Peter Ludz am 21. November 1963
den 21. XI. 1963.
Lieber Doktor Ludz,
Vielen Dank für Ihren Brief vom 12. November. Ich beantworte nach einander Ihre Fragen.
Was die Rezensionen betrif[f]t, so kommt die über Croce nicht in Frage. Wir beginnen die Sammlung mit 1918. Über die Periode zwischen 1914-1918 gibt es mit Ausnahme der „Theorie des Romans” keine wirklichen Dokumente meiner Entwicklung. Es hat also keinen Sinn ein Zufallsprodukt ohne Zusammenhang abzudrucken. Gegen die Veröffentlichung der Rezensionen von Spann und Michels habe ich keinen Einwand.[50]
Der kleine Aufsatz aus dem „Kommunismus”[51] ist meines Erachtens zu unbedeutend, um abgedruckt zu werden.[52]
Was den Aufsatz über freie und gelenkte Kunst betrifft, so existiert kein deutscher Text. Ich glaube[,] man müsste ihn aber aus dem ungarischen übersetzen, denn der französischer [sic!] Text ist eine nicht kontrollierte Übersetzung. Die Stelle des Aufsatzes im Buche „Litteratur [sic!] und Demokratie” haben Sie richtig bezeichnet. (Der ungarische Titel lautet: „Szabad vagy irányított művészet?”)
Die Rede im Petőfi Kreis ist der einzig authentische Text.
Was das „Postscriptum” zur Autobiographie betrifft, so finde ich in meinem Archiv kein Manuskript; das Original ist deutsch. Ich glaube mich genau zu erinnern, dass ich mein letztes Exemplar, gerade für dieses Buch entweder direkt an Sie oder an dr. Benseler geschickt habe. Bitte sehen Sie in beiden Archiven nach. Wenn das Manuskript nicht zum Vorschein kommt, so gibt es nur eine Möglichkeit: an den Redakteur der Nouvi [sic!] Argumenti, Albert [sic!] Carocci (Roma, Via degli Orsini 34) zu schreiben und in meinem Namen anfragen, ob er das Original-Manuskript des von ihm veröffentlichten Aufsatzes noch besitzt und Ihnen überlassen kann. Jedenfalls währe [sic!] es gut, auch ein italienisches Manuskript zu bitten, den[n] die französische Fassung ist aus dem italienischen übersetzt, und wenn schon kein Original da ist, so ist es besser[,] nur eine Zwischenübersetzung zu benützen.
Die Rezension über Kolozsvary stammt sicher nicht von mit.[53]
Jetzt hät[te] ich noch einen Vorschlag für das Buch: währe [sic!] es nicht nützlich, den Aufsatz „Volkstribun und Bürokrat” aus dem Jahre 1940 in die Sammlung einzufügen? (Der Aufsatz ist zu finden in dem Band: „Marx und Engels als Literaturhistoriker etc.”.) Dieser Aufsatz enthält meinen schärfsten Angriff gegen die stalinistische Bürokratie – freilich in einer sehr aesopischen Sprache.[54] Sein Erscheinen gehörte sicher zu den Gründen der Einstellung der Zeitschrift „Literaturnij Kritik” 1940. Leo Kofler hat sich schon in 1952 eingehend mit dem Antistalinismus dieses Aufsatzes befasst.[55]
Ich hoffe Sie bald in Budapest zu sehen.
Mit herzlichen Grüssen Ihr
Georg Lukács
11. Peter Ludz an Georg Lukács am 9. April 1964
Dr. Peter Ludz
1 Berlin 37
Neue Str. 19
Am 9. April 1964
Herrn
Prof. Dr. Georg Lukács
Budapest
Rakpart Beograd 2
Sehr verehrter Herr Professor Lukács,
vor einigen Tagen sind nun die Manuskripte des Bandes: „Georg Lukács: Schriften zur Ideologie und Politik“ in der von Ihnen mit mir besprochenen Reihenfolge an Herrn Dr. Benseler zum Druck abgegangen.
Ich hoffe, dass die Fahnen nicht allzu lange auf sich warten lassen, und würde mich freuen, wenn ich im Verlauf des Frühjahrs oder Sommers mit Ihnen zu einem Gespräch zusammentreffen könnte.
Mit verbindlichen Empfehlungen
Ihr sehr ergebener
[Handschriftlich:] Peter Ludz
12. Georg Lukács an Peter Ludz am 18. April 1964
den 18. 4. 64
Verehrter Herr Doktor Ludz!
Ich entnehme aus Ihrem Brief vom 9. April mit Freude, dass das Buch bereits sich im Druck befindet.
Es wäre mir sehr angenehm Sie gelegentlich in Budapest sehen zu können. Dieses Jahr werde ich voraussichtlich zwischen Mitte Juni und Mitte Juli auf Urlaub sein. Es wäre also gut, wenn Sie mich rechtzeitig von Ihren Plänen verständigen würden.
Mit herzlichen Grüssen Ihr
Georg Lukács
[1] In den 60er Jahren hat der Soziologe Peter Ludz zwei umfangreiche Auswahlbände (Georg Lukács: Schriften zur Literatursoziologie, 1961, ders.: Schriften zur Ideologie und Politik, 1967) aus Lukács‘ Schriften für den Luchterhand Verlag zusammengestellt, nicht zuletzt um Lukács, dessen Werkausgabe beim Aufbau Verlag 1956 aus politischen Gründen eingestellt worden war, den Zugang zum deutschen (und internationalen) Publikum zu ermöglichen und zugleich Interesse für die bei Luchterhand geplante Werkausgabe zu erwecken. Sowohl die Auswahl, als auch die Studien, die als Vorwort die Bände begleitet haben, zeugten von Ludz‘ tiefer Kenntnis des Lukácsschen Werkes – seine einleitende (und bis heute lesenswerte) Studie zum Band Schriften zur Ideologie und Politik war der erste Versuch Lukács als politischen Denker darzustellen. Der Zusammenstellung des letzteren Bandes ging ein Briefwechsel zwischen dem Herausgeber und Lukács voran, durch den der Herausgeber Lukács‘ Meinung über die Veröffentlichung dieser oder jener Schrift einholen wollte – das war bei dem zuerst erschienenen Band zur Literatursoziologie bedauerlicherweise nicht der Fall, so interessant es auch hätte sein können, wenn man in Betracht zieht, welche Wichtigkeit der Band den von Lukács zu dieser Zeit geringgeschätzten Frühschriften beimaß… Aus den im Nachlass von Lukács bewahrten Papieren scheinen einige zu fehlen, es fehlen z. B. – mit Ausnahme des ursprünglichen Entwurfs von Ludz zur Zusammenstellung des Bandes – die im Laufe der Besprechungen elaborierte Listen, was die Hinweise in den Briefen ab und zu rätselhaft macht, doch die Logik der Argumentation – Lukács Stellungnahme zu seinen früheren Schriften – lässt sich jedoch aus den Briefen herausschälen – was der Grund der Veröffentlichung des Briefwechsels war.
[2] Neben den Briefen lagen im Lukács’ Nachlass zwei, der Form nach voneinander unabhängige, inhaltlich aber übereinstimmende Entwürfe zum geplanten Band, zusammengestellt von Peter Ludz (sein Name steht, wie bei den Briefen, oben links), datiert vom 28. November 1962. In den Entwürfen geht es um 22 nummerierte Titel, chronologisch geordnet von Der Bolschewismus als moralisches Problem bis zum Postscriptum 1957 zu Mein Weg zu Marx – im Band Georg Lukács: Schriften zur Ideologie und Politik sind dagegen (vom Dokumentenanhang abgesehen) 30 Schriften abgedruckt worden, die Liste der zur Veröffentlichung bestimmten Aufsätze wurde also im Laufe der Vorbereitungen gründlich erweitert, auch wenn einige Titel, die im Entwurf stehen, verworfen worden sind Auf einem der Exemplare sind einige Nummern, aller Wahrscheinlichkeit nach von Ludz eingekreist und durchstrichen, und oben auf dem Blatt steht die Zeichenerklärung (s. Fn. 2): es geht um die Schriften – wie das sich dann auch aus den Briefen herausstellt –, die Lukács aus dem Band wegzulassen vorgeschlagen hat. Auf dem zweiten Exemplar des Entwurfs steht, diesmal eindeutig in der Handschrift von Lukács, eine Proposition zur Erweiterung der Liste: Bucharin (Grünberg XI 216). Zwar handelt es sich vermutlich um Ludz‘ ursprünglichen Vorschlag zur Zusammenstellung des Bandes, doch nur im ersten Brief beruft sich Lukács auf diese Liste, die Hinweise im weiteren Briefwechsel beziehen sich auf spätere, vermutlich telefonisch besprochene Fassungen.
[3] Oben auf der Seite von Ludz mit Bleistift: [ein Kreis] soll wegbleiben, Lukács [d. h. nach Lukács]; die eingekreisten Nummern sind 1, 3, 5, 7, 9, 10, 11, 12, 13, 18, 19.
[4] Georg Lukács: N. Bucharin: Theorie des historischen Materialismus.Gemeinverständliches Lehrbuch der marxistischen Soziologie. Verlag der Kommunistischen Internationale, Hamburg 1922, X, 392, in: Archiv für die Geschichte des Sozialismus und der Arbeiterbewegung, hrsg. v. Carl Grünberg, Elfter Jahrgang, Verlag von C. L. Hirschfeld, Leipzig 1925, S. 216–224.
[5] Zur philosophischen Entwicklung des jungen Marx (Deutsche Zeitschrift für Philosophie, Berlin 1954/2. 288–343.), Nr. 22. in dem von Ludz redigierten Band.
[6] Die Erkenntnistheorie Lenins und die Probleme der modernen Philosophie (Lenin ismeretelmélete és a modern filozófia problémái, in: Lukács György: A polgári filozófia válsága, Hungária, Budapest 1947), Nr. 21 in dem von Ludz redigierten Band.
[7] Lenin. Studie über den Zusammenhang seiner Gedanken (Verlag der Arbeiter-Buchhandlung, Wien 1924 & Malik-Verlag, Berlin 1924), in dem von Ludz redigierten Band ist aus dem Büchlein der Abschnitt „Revolutionäre Realpolitik” abgedruckt (Nr. 10).
[8] Aktualität und Flucht, Internationale Literatur (Moskau), 1941. Nr. 4., 6–9.
[9] Aus den Blum-Thesen (1929) wurden in dem von Ludz redigierten Band die Abschnitte I, IV und V abgedruckt (Nr. 14), Lukács’ Diskussionsbeitrag erschien im Dokumentenanhang des Bandes (Nr. 35.); Nr. 7. ist Lukács’ „Noch einmal Illusionspolitik” (1921, eigentlich „Illusionspolitik”: Illúziópolitika, Vörös Újság, Wien, 1921. december 1. [Jg. IV., Nr. 2.], 11–12.), Nr. 11. sind die Blum-Thesen selbst.
[10] N. Bucharin: Theorie des historischen Materialismus (1925), Nr. 11. in dem von Ludz redigierten Band.
[11] Es geht um die Aufsätze Parteidichtung (Pártköltészet, in: Horváth Márton–Lukács György: József Attila. Két előadás, Szikra, Budapest 1946, 3–32.), Nr. 18. in dem von Ludz redigierten Band, und Freie oder gelenkte Kunst (Szabad vagy irányított művészet, Forum, 1947/4. 250–268.), Nr. 20, der Aufsatz Literatur und Demokratie II fiel weg.
[12] Lukács György nyilatkozik a művészeti és filozófiai irányzatok szabad vitáiról, a szocialista realizmusról és saját terveiről, unter dem Titel Interview der Redaktion von „Szabad Nép” mit Georg Lukács, Nr. 25 in dem von Ludz redigierten Band.
[13] Am Rand ein x und ein Strich mit Bleistift und ein dicker Strich mit rotem Kugelschreiber; die Zeichen und Bemerkungen am Rande sind von Lukács.
[14] Dazu kam es aber nicht (s. Fußnote 5), vermutlich weil Lukács selbst die Idee der Publikation des vollständigen Textes abgelehnt hat; der Volltext erschien (in der ung. Originalsprache, veröffentlicht von der Parteihistorikerin Ágnes Szabó) erst 1975.
[15] Am Rand: ein x mit Bleistift und mit rotem Kugelschreiber ein Strich und: Benseler.
[16] Der von Ludz hastig übersetzte Satz lautet im gedruckten Text wie folgt: „Ich glaube nicht, dass sich das Sektierertum in der ungarischen Partei, nach der Befreiung 1945, auf die wiederauftauchenden Fragen von 1919 reduziert hätte” (S. 772) – was aber nicht ganz dem entspricht, was Lukács damals sagte, der ersichtlich nicht ganz leicht verständliche Ausdruck „tizenkilencesek” bezog sich auf die (vermeintlich ungeduldige, sektiererische) Stellungnahme der Veteranen der Räterepublik.
[17] Es geht um Lukács’ Genfer Vorlesung (1946, veröffentlicht: Arisztokratikus és demokratikus világnézet, Forum, 1946/11., 197–216.), auf Deutsch: Aristokratische und demokratische Weltanschauung, Nr. 19. in dem von Ludz redigierten Band.
[18] Am Rand mit Kugelschreiber, dann durchgestrichen: Ir. és D [Irodalom és demokrácia, Szikra, Budapest 1947].
[19] A marxista filozófia időszerű problémái. Részlet Lukács Györgynek a Petőfi-Kör filozófiai vitáján tartott beszédéből (1956. június 15-én [Rede in der philosophischen Debatte des Petőfi-Kreises 1956]). Filozófiai Értesítő, 1956/4., 148–151.; Die Rede trägt den Titel (Auszug), als Nr. 23 in dem von Ludz redigierten Band. – Am Rand mit Bleistift: an B[enseler]. abgeschickt (abgeschickt ist aber mit rotem Kugelschreiber durchgestrichen).
[20] Freie oder gelenkte Kunst (Szabad vagy irányított művészet?, in: Irodalom és demokrácia), Nr. 20 in dem von Ludz redigierten Band.
[21] Am Rand mit Kugelschreiber: Ir és D [Irodalom és demokrácia]
[22] Am Rand mit Kugelschreiber: einverstanden.
[23] Über „Nr. 17”, zwischen den Zeilen mit rotem Kugelschreiber: möglich. – Im Lukács‘ Brief von dem 9. August wird unter Nr. 17. der (halbwegs) autobiographische Aufsatz Mein Weg zu Marx (Internationale Literatur, 1933/2, Marx-Sondernummer. 95–126.) erwähnt, obwohl das nicht der chronologischen Logik der Listen entspricht (der Aufsatz Parteidichtung, 1945, trägt ja den die Nummer 16); auch die weiteren Nummern im Absatz lassen sich nicht enträtseln.
[24] Am Rand ein Strich mit rotem Kugelschreiber.
[25] A bolsevizmus mint erkölcsi probléma, Szabad Gondolat, Budapest 1918/10. (december), 228–232.
[26] Am Rand mit Kugelschreiber: Gewalt.
[27] Nr. 7 in dem von Ludz redigierten Band.
[28] Am Rand mit Kugelschreiber: Text
[29] Die Internationale, Berlin, 15. März 1921. (Jg. III., Nr. 6.), 208–215., Nr. 8. in dem von Ludz redigierten Band.
[30] Demnach hätte Lukács den Aufsatz Mein Weg zu Marx leichten Herzens entbehren können, in seinem Brief vom 30. 9. billigt er dennoch seine Publikation; wie auch immer, der Aufsatz ist Nr. 15. in dem von Ludz redigierten Band.
[31] Es geht um Aufsätze aus den frühen 20ern, doch welche Texte Lukács zur Verfügung standen, welche nicht, das lässt sich nicht näher bestimmen.
[32] Der Bolschewismus als moralisches Problem (1918).
[33] Die Rolle der Moral in der kommunistischen Produktion (Az erkölcs szerepe a kommunista termelésben, Szociális Termelés, 1919/11. [20. Juni], 3–5.), Nr. 3 in dem von Ludz redigierten Band.
[34] Da es im Brief um die – chronologische – Reihenfolge geht, bezieht sich der Hinweis auf die erste Fassung von Der Funktionswechsel des historischen Materialismus (A történelmi materializmus funkcióváltozása, Internationale, Budapest 1919/8–9. [Juli], 13–19.) Nr. 4 in dem von Ludz redigierten Band.
[35] Zur Frage des Parlamentarismus (Kommunismus, Wien 1. März 1920. [Jg. I., Nr. 6.], 161–172.), Nr. 4 in dem von Ludz redigierten Band.
[36] Lukács’ Zur Debatte zwischen China und der Sowjetunion. Theoretisch-philosophische Bemerkungen (Forum, 1963/119. [Nov.], 519–523. & 1963/120. [Dez.], 582–585.) ist tatsächlich der letzte Aufsatz in dem von Peter Ludz redigierten Band, allerdings als Nr. 30.
[37] Nr. 15. in dem von Peter Ludz redigierten Band.
[38] Lukács’ Vortrag ist unter dem Titel Aristokratische und demokratische Weltanschauung (als Nr. 19.) „nach der von Georg Lukács zur Verfügung gestellten deutschen Fassung” veröffentlicht worden.
[39] Zur Frage der Bildungsarbeit (1921), Nr. 7 in dem von Ludz redigierten Band; Spontaneität der Massen, Aktivität der Partei (1921), Nr. 8. in dem von Ludz redigierten Band.
[40] Wozu es aber nicht gekommen ist.
[41] A slip of the pen: wirken.
[42] Am Rande neben dem Absatz von Lukács mit rotem Kugelschreiber: nein.
[43] Am Rande neben dem Absatz von Lukács mit rotem Kugelschreiber: nein.
[44] Am Rande neben dem Satz ein x von Lukács mit rotem Kugelschreiber.
[45] Am Rande neben dem Satz von Lukács mit rotem Kugelschreiber: ja.
[46] Die Rede trägt den Titel Rede in der philosophischen Debatte des Petőfi-Kreises 1956 (Auszug), als Nr. 23 in dem von Ludz redigierten Band.
[47] Am Rande neben dieser Zeile von Lukács mit rotem Kugelschreiben: nicht vorhanden – darunter: Carocci.
[48] Am Rande von Lukács mit rotem Kugelschreiber: nein.
[49] Daneben von Lukács mit Bleistift: Volkstribun – ein Hinweis auf den Aufsatz Volkstribun oder Bürokrat? Internationale Literatur, 1940/1., 82–95., 1940/2. 79–84., 1940/3. 75–81.
[50] Trotzdem fanden sie keinen Eingang in den von Ludz redigierten Band.
[51] Aller Wahrscheinlichkeit nach geht es um den von Ludz vorgeschlagenen Aufsatz Zur Organisationsfrage der Intellektuellen (1920).
[52] Neben dem Absatz ein Strich mit rotem Kugelschreiber, vermutlich von Lukács.
[53] Die Wörter „nicht von mir” sind mit rotem Kugelschreiben unterstrichen.
[54] Trotz Lukács’ Empfehlung ist der Aufsatz nicht in den von Ludz redigierten Band aufgenommen worden.
[55] Leo Kofler (als Jules Dévérité): Der Fall Lukacs. Georg Lukacs und der Stalinismus, Verlag f. politische Publizistik, Köln 1952.