Karl Löwith

Max Weber und Karl Marx[1]

 

[…]

B. Marxens Interpretation der bürgerlich-kapitalistischen Welt am Leitfaden der menschlichen „Selbstentfremdung“

 

I. Ihre geschichtliche Entwicklung von Hegel über Feuerbach zu Marx

Der spezifisch „marxistische“ Leitfaden für die Analyse der bürgerlich-kapitalistischen Welt ist nicht ihre „Selbstentfremdung”, sondern ihre „Anatomie“, ihr „Knochenbau“ und als dieser die „politische Ökonomie” – ein Ausdruck, der das wirtschaftliche Sein und Bewusstsein dialektisch in eins begreift. Zunächst besagt diese Rede von der Anatomie der bürgerlichen Gesellschaft nicht mehr als eine Verlegung des Schwergewichts von der „bürgerlichen Gesellschaft” im Hegelschen Sinn auf das „System der Bedürfnisse“ als solches; sie bezeichnet die materiellen Produktionsverhältnisse als das Knochengerüst dieser Gesellschaft. Zugleich verbindet sich aber diese Anschauung auch schon mit der sehr viel weitergehenden und fragwürdigeren These von der wurzelhaften, radikalen Bedeutung der materiellen Lebensverhältnisse als solcher für alle andern und verfestigt sich schließlich zu der vulgärmarxistischen These von der sogenannten „realen Basis“ als dem Unterbau, auf welchem sich, wie auf einer selbständigen Unterschicht, ein rein ideologisch zu interpretierender „Überbau“ erheben soll. In dieser nicht nur vergröberten, sondern verunstalteten Gestalt ist der Marxismus zumeist Gegenstand der Kritik und Verteidigung geworden. So hat ihn auch Weber angesehen und als einen dogmatisch-ökonomischen Geschichtsmaterialismus bekämpft. Sieht man davon ab, wie weit schon Marx selber und insbesondere Engels dieser vulgär-marxistischen Auffassung Vorschub geleistet haben, so bleibt übrig die Tatsache, dass nach Marxens Selbstverständigung mit der Philosophie die Kritik der politischen Ökonomie an die erste Stelle gerückt ist. „Man kann den Entwicklungsgang Marxens in dieser Hinsicht in die kurze Formel zusammenfassen: er habe zunächst die Religion philosophisch, dann die Religion und Philosophie politisch und schließlich die Religion, Philosophie, Politik und alle anderen Ideologien ökonomisch kritisiert”.[2] Die spezifisch ökonomische Interpretation aller Erscheinungsweisen des menschlichen Lebens ist aber nach Marxens eigenen Worten doch nur das letzte Resultat, in welches seine kritische Revision der Hegelschen Rechtsphilosophie „ausmündet“, und ein „Resultat” ist nach Hegel der „Leichnam, der die lebendige Tendenz hinter sich gelassen hat”. Diese lebendige Tendenz des Resultats, deren Titel Kritik der Selbstentfremdung ist, gilt es im folgenden aus den Schriften des jungen Marx hervorzuholen und sichtbar zu machen. Zu berücksichtigen sind dafür vorzüglich die Schriften von 1841–45 und auch sie werden wiederum mit besonderer Rücksicht auf Webers leitenden Gesichtspunkt der Rationalisierung ausgelegt. Diese thematische Begrenzung besagt aber nicht, dass man den jungen Marx vom späteren abtrennen könnte um etwa diesen den „Marxisten” und jenen der „bürgerlichen” Philosophie zu überlassen. Vielmehr sind und bleiben die Schriften des jungen Marx auch noch für das Kapital grundlegend und wenn das erste Kapitel des Kapitals von 1867 ein Resultat ist, so findet sich die lebendige Tendenz aus der es resultierte doch schon in einer Debatte der Rheinischen Zeitung von 1842.

Das Grundthema von Marx ist wie für Weber die uns umgebende Wirklichkeit, in die wir hineingestellt sind, und die ursprüngliche Gestalt von Marxens kritischer Analyse des kapitalistischen Produktionsprozesses eine Kritik der bürgerlichen Welt überhaupt am Leitfaden ihrer menschlichen Selbstentfremdung. Diese bürgerlich-kapitalistische Welt repräsentiert ihm als Hegelianer eine spezifisch „un-vernünftige“ Wirklichkeit und als menschliche Welt eine Unmenschlichkeit, eine menschlich-verkehrte Welt. Und wie es Weber notwendig fand, den „Teufel” der Rationalisierung zu verstehen und seine „Wege erst einmal zu Ende“ zu überschauen, „um seine Macht und seine Schranken zu sehen”, so äußerte sich auch Marx: es lohne sich „diesen Herrn der Welt” zu studieren. Im Vorwort seiner Dissertation und in einem Brief an Ruge (1843) bezeichnet sich Marx als einen „Idealisten”, der die „Unverschämtheit“ habe, „den Menschen zum Menschen machen zu wollen“.[3] Was zunächst zu zeigen ist, wird daher sein, dass es Marx in erster und letzter Linie überhaupt auf den konkreten Menschen als solchen ankam, auch dann noch, als er die Möglichkeit des „neuen” Menschen im Proletariat entdeckt zu haben glaubte. Das in letzter Linie Gewollte war und blieb eine „menschliche Emanzipation des Menschen” – „realer Humanismus”. Der geschichtliche Zusammenhang dieser Grundtendenz mit Rousseau ist für jeden Unbefangenen unverkennbar.[4]

Innerhalb der zeitgenössischen deutschen Philosophie war diese Tendenz auf den Menschen als solchen die Grundtendenz von Feuerbachs Verwandlung der reinen Philosophie in philosophische Anthropologie. Die Philosophie, welche er dabei als die letzte Gestalt einer reinen und absoluten Philosophie vor Augen hatte, war Hegels Philosophie des absoluten Geistes. In der Abhebung von dieser entwickelte sich sowohl bei Feuerbach wie bei Marx die kritische Tendenz auf den Menschen als Menschen. Der Mensch als solcher spielt in Hegels Philosophie des absoluten, objektiven und subjektiven Geistes keine prinzipielle Rolle. Seinem allgemeinen „Wesen“ nach bestimmt ihn Hegel als Geist (Enc. § 377).[5] Als Mensch tritt er auf in Hegels Rechtsphilosophie, unter dem Titel, dass er das Subjekt der irdischen „Bedürfnisse” sei und als das System dieser Bedürfnisse fasst Hegel die bürgerliche Gesellschaft. Was Hegel „Mensch” nennt, ist also ebenfalls schon und nur der „Bourgeois“ als Subjekt der irdischen Bedürfnisse. Dieser so bestimmte Mensch verwirklicht aber weder nach Hegel noch nach Marx das wahrhaft Allgemeine des Menschen – er ist eine bloße Besonderheit oder Partikularität, bei Hegel im Verhältnis zum wahrhaft Allgemeinen des Staates (der seinerseits eine konkrete Gestalt der Vernunft ist), bei Marx im Verhältnis zum wahrhaft Allgemeinen der klassenlosen, rein menschlichen Gesellschaft. Hegel unterscheidet in der Rechtsphilosophie:

„Im Rechte ist der Gegenstand die Person, im moralischen Standpunkte das Subjekt, in der Familie das Familienglied, in der bürgerlichen Gesellschaft überhaupt der Bürger (als bourgeois) – hier auf dem Standpunkte der Bedürfnisse ist es das Konkretum der Vorstellung, das man Mensch nennt; es ist also erst hier und auch eigentlich nur hier vom Menschen in diesem Sinne die Rede” (§ 190).

Hegel hat zwar den Begriff Mensch überhaupt und als solcher nicht schlechtweg negiert, aber anerkannt hat er ihn doch nur mit Rücksicht auf den Menschen von bürgerlicher Berechtigung, und gerade darin zeigt sich Hegels eminent realistischer Blick für die ihn umgebende „Wirklichkeit”. Er sagt (§ 209 und Anm. zum § 269), es sei zwar jeder Mensch zu allererst „Mensch”, wenngleich von verschiedener Rasse, Nationalität, Glauben, Stand, Beruf und dieses sein bloßes Menschsein sei keineswegs eine „flache, abstrakte“ Qualität. Aber: das eigentlich Gehaltvolle dieser allgemeinen Qualität erklärt Hegel doch damit, dass „darin liegt, dass durch die zugestandenen bürgerlichen Rechte… das Selbstgefühl, als rechtliche Personen in der bürgerlichen Gesellschaft zu gelten”, zustande komme. Und dies – also diese bürgerlich-berechtigte Menschlichkeit – erklärt Hegel – sei die „unendliche von allem andern freie Wurzel”, aus der auch die „verlangte Ausgleichung der Denkungsart und Gesinnung” zustande komme. Hegel verwahrt sich ausdrücklich gegen eine Verabsolutierung dieser Bestimmung, nämlich des Menschen rein als Menschen; denn wenn auch jeder dem andern gleichstehe, sofern er nur überhaupt als „Mensch” gilt (und nicht nur als Italiener oder Deutscher, Katholik oder Protestant), so werde doch dieses Selbstbewusstsein – also das Bewusstsein: nichts weiter als ein Mensch zu sein – „mangelhaft”, wenn es – „etwa als Kosmopolitismus” – sich dazu fixiere und dem öffentlichen, staatlichen Leben wie etwas Eigenbedeutsames, Selbständiges und Grundlegendes gegenübertrete.[6] – Die allgemeine Wesens-Bestimmung des Menschen ist und bleibt also in Hegels Philosophie des Geistes nicht, dass er in irgendeinem Sinne „Mensch” ist, sondern dass er seinem allgemeinen Wesen nach „Geist” sei.[7] Demgemäß bedeutet auch die Rede von der „Selbstentfremdung” bei Hegel etwas grundsätzlich anderes als bei Feuerbach und Marx, wenngleich sie ihrer formalen Struktur nach – als „Kategorie” – dieselbe ist. Dieser spezifisch onto-logischen Bestimmung des Menschen (als „Geist”) ordnet Hegel unter, dass er als bürgerlich berechtigtes Subjekt von irdischen Bedürfnissen „Mensch” ist und nur diesen so charakterisierten Menschen (von dem man nur eine „Vorstellung”, aber keinen eigentlich philosophischen „Begriff” haben kann) nennt Hegel überhaupt Mensch. Hegel glaubte also offenbar mehr an die Geistigkeit des Menschen als an seine Menschlichkeit.

Feuerbachs ganzes Bestreben war es, diese eigenständige Philosophie des Geistes in eine menschliche Philosophie des Menschen zu verwandeln.[8] Die Aufgabe seiner „neuen” Philosophie der „Zukunft” bezeichnet er dahin: „Gegenwärtig (1843) handelt es sich noch nicht darum, den Menschen darzustellen, sondern darum, ihn aus dem (sc. „idealistischen”) Morast, worin er versunken war, herauszuziehen”. Die Aufgabe war: „aus der Philosophie des Absoluten, d. i. der (sc. philosophischen) Theologie, der Notwendigkeit der Philosophie des Menschen, d. i. der Anthropologie abzuleiten und durch die Kritik der göttlichen Philosophie die Kritik der menschlichen zu begründen” (Vorwort der Grundsätze der Philosophie der Zukunft). Diese Tendenz: den Menschen zur Sache der Philosophie zu machen, motovierte sich aus der Tendenz: die Philosophie zur Sache der „Menschheit” zu machen.[9] Seinem anthropologischen Prinzip entsprechend bekämpft Feuerbach Hegels partikulare Bestimmung des Menschen. Er greift die vorhin zitierte Definition aus der Rechtsphilosophie auf und an der Stelle, wo Hegel sagt, es sei erst hier und nur hier (nämlich innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft) vom Menschen in diesem Sinn die Rede, fährt Feuerbach polemisch fort: also handle es sich auch dort, wo die Rede ist von der rechtlichen „Person“ und vom moralischen „Subjekt” u. dgl. in Wahrheit doch immer um ein und denselben ganzen Menschen, nur in einem jeweils „anderen Sinn”. Denn es sei stets eine charakteristische Eigenschaft des Menschen, dass er als dieser und als jener – als Privatmann, Beamter, Staatsbürger u. dgl. – überhaupt rollenmäßig und fachmäßig bestimmt sein kann. Feuerbach verwahrt sich also gegen Hegels partikularen Begriff vom Menschen, ohne aber – wie Marx – gerade diese konkrete Partikularität ernst zu nehmen und einen Weg zu zeigen, auf dem diese faktisch auseinandergesetzte Menschlichkeit des Menschen der modernen, bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft – seine Fachmenschlichkeit –  wieder vereinheitlicht werden könnte, nämlich nicht durch einen Feuerbachschen Kommunismus der Liebe von „Ich und Du”, sondern durch gesellschaftliche Aufhebung der (bisherigen Art der) Arbeitsteilung überhaupt und ihres Klassencharakters im besonderen,

Eingesetzt hat aber auch Marxens Kritik des Menschen der bürgerlichen Gesellschaft und damit überhaupt der modernen Welt auf dem anthropologischen Standpunkt Feuerbachs. Noch in der „Heiligen Familie” identifiziert er sich mit Feuerbachs „realem Humanismus”. Sie beginnt mit folgendem Satz: „Der reale Humanismus hat in Deutschland keinen gefährlicheren Feind als den Spiritualismus oder den spekulativen Idealismus, der an die Stelle des wirklichen individuellen Menschen das »Selbstbewusstsein« oder den »Geist« setzt und mit den Evangelisten lehrt: Der Geist ist es, der da lebendig macht.” Desgleichen beginnt seine Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie mit der Berufung auf Feuerbachs Zurückführung der Theologie auf Anthropologie, denn diese Kritik sei die Voraussetzung jeder weiteren Kritik der diesseitigen weltlichen Verhältnisse des Menschen[10] (s. o. S. 54). Dieser Aufnahme Feuerbachs[11] entspricht eine gleichgerichtete, wenn auch nur ganz beiläufige Polemik gegen Hegels partikulare Bestimmung des Menschen. Marx vergleicht den Menschen der bürgerlichen Gesellschaft mit der Ware als Produkt einfacher Arbeit. Denn wie diese habe er einen fragwürdigen „Doppelcharakter”, ökonomisch gesprochen eine „Wertform” und eine „Naturform“. Als Ware bzw. als verkörperte Arbeit ist etwas so und soviel Geld wert; was es seiner natürlichen Beschaffenheit nach ist, ist im Verhältnis dazu mehr oder minder gleichgültig. Beliebige Waren können als „Waren” einen ganz verschiedenen Wert und doch die gleiche natürliche Beschaffenheit haben. Ebenso spiele auch der Mensch dieser Warenwelt in seiner bürgerlichen Wertform stehend – etwa „als General oder Bankier”, überhaupt als eine durch seine gegenständliche Tätigkeit fixierter und geteilter Fachmensch – vor andern wie vor sich selbst eine große Rolle, der Mensch als solcher und „schlechthin” – sozusagen in Naturalform – aber eine „sehr schäbige“. Hier verweist Marx in einer Anmerkung lakonisch auf den § 190 der Hegelschen Rechtsphilosophie. Dieser Hinweis ist folgendermaßen zu interpretieren: Wenn Hegel den Menschen als solchen zu einer so besonderen, teilweisen Sache macht, wie es doch das bürgerlich berechtigte Subjekt der Bedürfnisse ist – neben andern, ebenso teilweisen Bestimmungen –, so spiegelt sich in dieser scheinbar rein theoretischen Aufspaltung des Menschen nichts anderes, als eine tatsächliche „Geist“losigkeit bzw. Un-menschlichkeit in den wirklich bestehenden Existenzverhältnissen der modernen Menschheit. Denn es entspricht dieser theoretischen Vereinzelung, Fixierung und Verselbständigung, dieser „Rationalisierung“, des Menschen zu je besonderen Existenzweisen eine tatsächlich herrschende Geteiltheit, Fixiertheit und Verselbständigung von nur teilweisen Ausprägungen des Menschseins zu in der Tat abstrakten Konkretionen, welche nicht mehr den Menschen im Ganzen und als solchen („schlechthin“) betreffen, sondern nur jeweils einen Fach-Menschen. Solche abstrakten, weil vom Menschen „schlechthin“ abstrahierenden Konkretionen des Menschseins sind z.B. der bürgerliche und proletarische Klassenmensch, der geistige oder körperliche Arbeitsmensch, überhaupt der moderne Berufs- und Fachmensch, vor allem aber die ganz allgemein durchgreifende Geteiltheit des Menschen der bürgerlichen Gesellschaft in zwei auseinanderfallende und sich widersprechende Existenzweisen: den Privatmenschen mit seiner Privatmoral einerseits und den öffentlichen Staatsbürger mit seiner öffentlichen Moral anderseits (siehe III. Abschnitt). In allen diesen teilweisen Ausprägungen des Menschseins kommt zwar der ganze Mensch als solcher mit zum Vorschein, aber nicht widerspruchslos und rein als Mensch. Indem er wesentlich durch diese oder jene Partikularität bestimmt ist, ist er diese doch auch nur mit Rücksicht auf eine jeweils andere Partikularität, Berufsmensch z. B. im immanenten Unterschied zu seinem Familienleben, Privatmensch im Unterschied zu seinem öffentlichen Leben. Er ist in allen diesen besonderen und in ihrer Besonderheit verselbständigten Ausprägungen des Menschseins – als der und der – immer nur in ganz bedingter und beschränkter Weise „Mensch”, er ist es – in der bürgerlichen Gesellschaft – am ehesten und meisten noch als sogenannter Privatmensch. Der Mensch „schlechthin” spielt dagegen in einer so differenzierten und auseinandergesetzten (rationalisierten) Gesellschaft keine fundamentale Rolle, wohl aber das je fixierte Etwas, das einer seiner Stellung und Leistung nach ist. Und weil diese sozialen Stellungen und Leistungen wesentlich bedingt sind durch die wirtschaftliche Existenzfrage, die irdischen „Bedürfnisse”, so ist also Hegels Definition des Menschen, wonach der Mensch als solcher auch nur eine Partikularität ist, gar keine ausgedachte Konstruktion, sondern der sachgemäße theoretische Ausdruck für eine tatsächliche „Unmenschlichkeit” in den bestehenden Existenzverhältnissen der modernen, bürgerlich-kapitalistischen Welt – ein Anzeichen dafür, dass sich in ihr der Mensch als Mensch selbst entfremdet ist.

Gemeinsam ist also Feuerbach und Marx die Feststellung, dass Hegels Philosophie des Geistes den Menschen überhaupt nur als eine Partikularität enthält, aber nicht als das menschlich und philosophisch grundlegende Ganze. Weil es aber von vornherein der Mensch als solcher und im Ganzen ist, von dem Marx ausgeht und auf den er abzielt, so kommt es ihm darauf an, jene totale innermenschliche Partikularität des Menschen der bürgerlichen Gesellschaft aufzudecken, welche in Hegels Philosophie des Geistes ebensosehr noch verdeckt wie schon entdeckt ist. D. h. es kommt ihm darauf an, die scheinbare Selbstverständlichkeit, welche – für den Menschen der bürgerlichen Gesellschaft – darin liegt, dass der Bourgeois überhaupt im eigentlichen Sinne „Mensch” ist, in ihrer menschlichen Fragwürdigkeit aufzudecken und nicht nur die einzelnen Partikularitäten innerhalb jener totalen Partikularität, welche der bürgerliche Mensch als solcher darstellt. Um diesen Menschen von seiner totalen innermenschlichen Partikularität zu befreien und die Entfremdung des Menschen schlechthin zu einer menschlichen Spezialität aufzuheben verlangt Marx eine nicht nur politische und ökonomische, sondern „menschliche“ „Emanzipation des Menschen”. Diese bezieht sich aber nicht auf den Menschen als „ego und alter ego“ (Feuerbach), sondern auf die „Welt” des Menschen, denn er selbst ist diese seine soziale Welt, er ist wesentlich „zoon politikon” und deshalb vollzieht sich Marxens Kritik des Menschen der bürgerlichen Welt als Kritik seiner Gesellschaft und Wirtschaft – ohne jedoch damit ihren anthropologischen Grundsinn zu verlieren.[12] Diese grundsätzliche und allgemeine Selbstentfremdung des Menschen der modernen Staats-, Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung – also derselben „Ordnung”, die uns bei Weber als das unentrinnbare Schicksal der Rationalisierung begegnete – verfolgt Marx auf allen Gebieten: in ihrer ökonomischen, politischen und unmittelbar sozialen Gestalt. Der ökonomische Ausdruck ihrer Problematik ist die Warenwelt, ihr politischer der Widerspruch zwischen dem bürgerlichen Staat und der bürgerlichen Gesellschaft, ihr unmittelbar menschlich-sozialer die Existenz des Proletariats.

 

II. Der ökonomische Ausdruck der menschlichen Selbstentfremdung in der „Ware”

„Wie überhaupt bei jeder historischen sozialen Wissenschaft, ist bei dem Gange der ökonomischen Kategorien immer festzuhalten, dass… die moderne bürgerliche Gesellschaft gegeben ist, und dass die Kategorien daher Daseinsformen, Existenzbestimmungen, oft nur einzelne Seiten dieser bestimmten Gesellschaft… ausdrücken, und dass die Ökonomie daher auch wissenschaftlich keineswegs da erst anfängt, wo nun von ihr als solcher die Rede ist,” (Zur Kritik d. pol. Ök., S. XLIII.)

 

Der ökonomische Ausdruck der menschlichen Selbstentfremdung ist die „Ware“ als der warenhafte Charakter der gesamten Gegenstände der modernen Welt. Die Ware im Sinne von Marx bedeutet nicht eine bestimmte Gegenstandsart unter andern, sondern an der Ware erschließt sich ihm der ontologische Grundcharakter unserer gesamten Gegenstände, ihre „Warenform”. Diese Warenform oder -struktur kennzeichnet ebensosehr die Entfremdung der Individualität des Menschen wie der Dinge.[13] Mit der Analyse der Ware beginnt daher das Kapital. Der gesellschaftskritische und mithin menschliche Grundsinn dieser ökonomischen Analyse kommt jedoch im Kapital nur noch in Zwischenerörterungen und Anmerkungen zum direkten Ausdruck. Ganz offensichtlich zutage liegt er jedoch in der Debatte über das Holzdiebstahlsgesetz von 1842 (W. I, I, S. 266 ff.). Diese Debatte enthält die erste und exemplarische Aufdeckung jener grundsätzlichen Verkehrung von „Mittel” und „Zweck“ bzw. von „Sachen und „Mensch”, in welcher die Selbstentfremdung des Menschen als Selbstentäußerung – nämlich an die „Sache” – beschlossen ist. Sich zu sich selbst wie zu etwas Anderem und Fremden verhalten, diese höchste „Äußerlichkeit“ bezeichnet Marx in der Dissertation als „Materialismus“ und sich selbst, der diese Entfremdung aufheben will, als einen „Idealisten”. Eine Selbst-Entfremdung ist die Entäußerung an eine Sache dadurch, dass diese ihrem eigensten Sinne nach Sache für den Menschen und der Mensch Mensch „für sich” ist. Was Marx in der Debatte sagen will, ist daher im Prinzip folgendes: Holz, welches einem Holzbesitzer gehört und gestohlen werden kann, ist überhaupt kein bloßes Holz, sondern ein Ding von wirtschaftlicher und gesellschaftlicher, also überhaupt von menschlicher Bedeutung. Als ein dergestalt bedeutsames Holz ist es aber für den Holzbesitzer als Privateigentümer nicht dasselbe wie für den Nichts-Besitzer, der es entwendet. Eine menschlich gerechte und nicht nur juristisch korrekte Bestrafung kann daher nicht zustande kommen, solang sich der eine einzig und allein oder doch vorzüglich als Holz-Besitzer weiß, von sich als Mensch dieses „bornierte“, partikulare Selbstbewusstsein hat und der andere dementsprechend auch nicht als Mensch in Betracht kommt, sondern wiederum nur als Holz-Dieb. In beiderlei Hinsicht ist es dann die tote Sache, eine „sachliche Gewalt”, etwas Unmenschliches – bloßes Holz –, welches den Menschen bestimmt und unter sich „subsumiert”, wenn dieser nicht fähig ist, seine sachhaften Verhältnisse menschlich gesellschaftlich zu bestimmen und zu beherrschen. Bestimmt werden kann aber der Mensch schon durch bloßes „Holz”, weil dieses – gleich der Ware – selber schon ein gegenständlicher Ausdruck für – im Wortsinn – „politische“ Verhältnisse ist, weil es gleich der Ware einen Fetisch-Charakter hat. Deshalb können „die hölzernen Götzen siegen und die Menschenopfer fallen”.

„Wenn also Holz und Holzbesitzer als solche Gesetze geben, so werden sich diese Gesetze durch nichts unterscheiden, als den geographischen Punkt, wo, und die Sprache, worin die gegeben sind. Dieser verworfene Materialismus, diese Sünde gegen den heiligen Geist der Völker und der Menschheit ist eine unmittelbare Konsequenz jener Lehre, welche die preußische Staatszeitung dem Gesetzgeber predigt, bei einem Holzgesetz nur an Holz und Wald zu denken und die einzelne materielle Aufgabe nicht politisch, d. i. nicht im Zusammenhang mit der ganzen Staatsvernunft und Staatssittlichkeit zu lösen” (W. I, I, S, 304).

Indem aber so etwas wie Holz, dieses scheinbare „Ding-an-sich”, auf Grund bestimmter gesellschaftlicher Verhältnisse für das Sein und Verhalten des Menschen maßgebend wird, werden zugleich mit der „Verdinglichung” des menschlichen Selbstbewusstseins die Dinge nun selbst zum Maß des Menschen. Es versachlichen sich die menschlichen Verhältnisse, indem sich die sachhaften Verhältnisse zu quasipersönlichen Gewalten über den Menschen vermenschlichen. Diese Verkehrung ist ein „verworfener Materialismus“. – Dieser radikal-menschliche Sinn der ökonomischen Analyse wird von Marx nicht nur festgehalten, sondern später noch ausdrücklich kritisch gesichert. In der „Heiligen Familie“ betont Marx gegen Proudhon, dass die nur national-ökonomische Interpretation derartiger Tatbestände, wie sie in der Forderung gleichen Besitzes enthalten ist, einen „selbst noch entfremdeten“ Ausdruck der allgemeinen menschlichen Selbstentfremdung darstelle.

„Dass Proudhon das Nichthaben und die alte Weise des Habens aufheben will, ist ganz identisch damit, dass er das praktisch entfremdete Verhältnis des Menschen zu seinem gegenständlichen Wesen, dass er den nationalökonomischen Ausdruck der menschlichen Selbstentfremdung aufheben will. Weil aber seine Kritik der Nationalökonomie noch in den Voraussetzungen der Nationalökonomie befangen ist, so wird die Wiederaneignung der gegenständlichen Welt selbst noch unter der nationalökonomischen Form des Besitzes gefasst. – Proudhon stellt… der alten Weise des Habens, dem Privateigentum, den Besitz gegenüber. Den Besitz erklärt er für eine »gesellschaftliche Funktion«. In einer Funktion aber ist es nicht das »Interessante«, den Andern »auszuschließen«, sondern meine eigenen Wesenskräfte zu betätigen und zu verwirklichen. – Es ist Proudhon nicht gelungen, diesem Gedanken eine entsprechende Ausführung zu geben. Die Vorstellung des »gleichen Besitzes« ist der nationalökonomische, also selbst noch entfremde Ausdruck dafür, dass der Gegenstand als Sein für den Menschen, als gegenständliches Sein des Menschen, zugleich das Dasein des Menschen für den andern Menschen, seine menschliche Beziehung zum andern Menschen, das gesellschaftliche Verhalten des Menschen zum Menschen ist. Proudhon hebt die nationalökonomische Entfremdung (sc. nur) innerhalb der nationalökonomischen Entfremdung auf“ (Nachlass II, S. 139/140).[14]

D. h. er hebt sie auf solche Weise überhaupt nicht wirklich, nicht in der Wurzel auf. – Dieselbe Frage wie die Debatte stellt auch die „Deutsche Ideologie”, wenngleich die dort nicht mehr in derselben Weise angefasst wird. Auch hier fragt Marx: woher die „Fremdheit”, mit der sich die Menschen zu ihren eigenen Produkten verhalten, so dass sie „die Weise ihres gegenseitigen Verhaltens” nicht mehr in ihrer Gewalt haben, sich „ihre Verhältnisse gegen sie selbst verselbständigen”, „die Macht ihres eigenen Lebens übermächtig gegen sie wird”? – wie kommt es, dass innerhalb der unwillkürlichen „Verselbständigung der persönlichen Interessen zu Klasseninteressen das persönliche Verhalten des Individuums sich versachlichen, entfremden muss und zugleich als von ihm unabhängige… Macht ohne ihn besteht”?[15] Marxens Antwort ist, durch die Teilung der Arbeit, diese Grundlage der Rationalisierung. Die ganze bisherige Art des Arbeitens muss aufgehoben und in eine totale „Selbsttätigkeit“ verwandelt werden. Diese Verwandlung bedeutet nicht nur eine Aufhebung der Verteilung der Arbeit in geistige und körperliche, sondern auch eine Aufhebung der Gegensätzlichkeit von Stadt und Land, die selber nur „der krasseste Ausdruck der Subsumption des Individuums unter die Teilung der Arbeit” ist. (Deutsche Ideologie, S. 248 ff. und 271 ff.).[16] Wirklich aufgehoben werden kann aber die Teilung der Arbeit nur auf der Grundlage einer kommunistischen Gemeinschaftsordnung, welche nicht nur den Besitz, sondern das Menschsein selber in allen seinen Äußerungen allgemein macht. Innerhalb der Teilung der Arbeit ist dagegen die „Verselbständigung” der gesellschaftlichen Verhältnisse zu Sachverhalten unvermeidlich – so unvermeidlich wie der (unkommunistische) Unterschied „zwischen dem Leben eines jeden Individuums, soweit es persönlich ist und insofern es unter irgendeinen Zweig der Arbeit und die dazu gehörigen Bedingungen subsumiert ist“.[17] – Zehn Jahre nach der Deutschen Ideologie – 1856 – fasst Marx seine Grundansicht von dieser verkehrten Welt in einem Rückblick auf die „sogenannte” Revolution von 1848 folgendermaßen zusammen:

„Es gibt eine große Tatsache, die für das 19. Jahrhundert charakteristisch ist und die keine Partei ableugnen kann. Auf der einen Seite sind industrielle und wissenschaftliche Kräfte zum Leben erwacht, wie sie keine frühere Geschichtsepoche je ahnen konnte. Auf der anderen Seite machen sich Anzeichen eines Verfalles bemerkbar, der die vielgenannten Schrecken aus den letzten Zeiten des römischen Reiches in Schatten stellt. In unserer Zeit scheint jedes Ding schwanger mit seinem Gegenteil. Die Maschine ist mit der wundervollen Kraft begabt, die menschliche Arbeit zu verkürzen und fruchtbarer zu machen: wir sehen, wie sie zu Hunger und Überarbeit führt. Die neu entfesselten Kräfte des Reichtums werden durch ein seltsames Spiel des Schicksals zu Quellen der Entbehrung. Die Siege der Kunst scheinen durch Einbuße an Charakter erkauft. Die Menschheit wird Herr in der Natur, aber der Mensch wird Sklave des Menschen oder Sklave seiner eigenen Niedertracht… Das Resultat aller unserer Erfindungen und unseres Fortschrittes scheint zu sein, dass materielle Kräfte mit geistigem Leben ausgestattet werden und die menschliche Existenz zu einer materiellen Kraft verdummt. Dieser Antagonismus zwischen moderner Industrie und Wissenschaft hier, modernem Elend und Verfall dort; dieser Gegensatz zwischen den Produktivkräften und den sozialen Verhältnissen unserer Epoche ist eine Tatsache, eine handgreifliche, überwältigende und unbestreitbare Tatsache. Manche Parteien mögen darüber wehklagen; andere mögen wünschen, die modernen Fähigkeiten loszuwerden, um so auch die modernen Konflikte loszuwerden. Oder sie mögen sich einbilden, dass ein so erkennbarer Fortschritt in der Wirtschaft zu einer Vervollkommnung einen ebenso erkennbaren Rückschritt in der Politik braucht. Wir für unseren Teil misskennen den schlauen Geist nicht, der rüstig fortfährt, alle diese Gegensätze herauszuarbeiten. Wir wissen, dass die neuen Kräfte der Gesellschaft, um gutes Werk zu verrichten, nur neue Menschen brauchen…” (Die Revol. von 1848 und das Proletariat).

Wer diese „neuen Menschen” sind, welche berufen sind, die allgemeine Selbstentfremdung aufzuheben, stand für Marx bereits in der Einleitung zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie fest; „dies sind die Arbeiter”. Damit hatte die Philosophie des „realen Humanismus“ als „wissenschaftlicher Sozialismus” die zu ihr gehörige „gesellschaftliche Praxis” gefunden, die Möglichkeit ihrer Verwirklichung und Aufhebung. Den entscheidenden Bruch mit dem „realen Humanismus“ Feuerbachs vollzog Marx in der Deutschen Ideologie.

Und trotzdem bedeutet auch noch das Kapital keine bloße Kritik der politischen Ökonomie, sondern eine Kritik des Menschen der bürgerlichen Gesellschaft am Leitfaden ihrer Wirtschaft. Die „ökonomische Zelle” dieser Wirtschaft ist aber die Warenform des Arbeitsprodukts. Die Ware ist (gleich dem „Holz” in der Debatte) ein ökonomischer Ausdruck der Selbstentfremdung. Diese besteht darin, dass das, was seinem ursprünglichen Zweck nach zum Gebrauch da ist, nicht unmittelbar als Gebrauchsding zum eigenen Bedarf hergestellt und ausgetauscht wird, sondern als verselbständigter Warenwert auf den modernen Warenmarkt kommt (handle es sich dabei um wirtschaftliche oder auch um geistige Produkte, um einen Viehmarkt oder auch um einen Büchermarkt), um erst auf diesem Umweg von der Hand des Verkäufers, für den sie nur Tauschwert hat, in die Hand des Gebrauchers als Warenkäufer zu kommen.[18] Diese Verselbständigung des Gebrauchsgegenstands zur „Ware” exemplifiziert wiederum das allgemeine Verhältnis, dass in der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft das Produkt über den Menschen herrscht, aber nicht umgekehrt, wie es mit Webers vorbehaltlicher Wendung gesagt – dem „natürlichen Sachverhalt” entspräche. Zur Aufdeckung des Hergangs dieser Verkehrung unternahm Marx die Analyse des „gegenständlichen Scheins” der modernen gesellschaftlichen Arbeitsverhältnisse im „Fetischcharakter” der Waren. Als Ware ist der gewöhnliche Tisch ein „sinnlich-übersinnliches” Ding.[19] Was an ihm ohne weiteres sinnfällig ist, ist nur das, was er gerade nicht als „Ware“, sondern als Gebrauchsding ist. Was er aber als Ware ist, welche Geld kostet – weil sie selbst Arbeit bzw. Arbeitszeit kostet –, ist ein zunächst verborgenes gesellschaftliches Verhältnis. Auf diese Weise steht er „nicht nur mit seinen Füssen auf dem Boden, sondern er stellt sich allen anderen Waren gegenüber auf den Kopf und entwickelt aus seinem Holzkopf Grillen, viel wunderlicher, als wenn er aus freien Stücken zu tanzen begänne”.

„Das Geheimnisvolle der Warenform besteht also einfach darin, dass sie den Menschen die gesellschaftlichen Charaktere ihrer eigenen Arbeit als gegenständliche Charaktere der Arbeitsprodukte selbst, als gesellschaftliche Natureigenschaften dieser Dinge zurückspiegelt, daher auch das gesellschaftliche Verhältnis der Produzenten zur Gesamtarbeit als ein außer ihnen existierendes gesellschaftliches Verhältnis von Gegenständen. Durch dies quid pro quo werden die Arbeitsprodukte Waren, sinnlich übersinnliche oder gesellschaftliche Dinge… Es ist nur das bestimmte gesellschaftliche Verhältnis der Menschen selbst, welches hier für sie die phantasmagorische Form eines Verhältnisses von Dingen annimmt. Um daher eine Analogie zu finden, müssen wir in die Nebelregion der religiösen Welt flüchten. Hier scheinen die Produkte des menschlichen Kopfes mit eigenem Leben begabte, untereinander und mit den Menschen in Verhältnis stehende selbständige Gestalten. So in der Warenwelt die Produkte der menschlichen Hand. Dies nenne ich den Fetischismus, der den Arbeitsprodukten anklebt, sobald sie als Waren produziert werden, und der daher von der Warenproduktion unzertrennlich ist” (Kapital I6, S. 38/39).

Weil aber die Produzenten von Waren, d. h. von Gegenständen jeglicher Art in Warenform oder -struktur, zunächst nur durch den Austausch ihrer Waren als Waren in menschlich-gesellschaftlichen Kontakt treten – also rein „sachlich“ –, darum erscheinen den Produzenten selbst die den Waren zugrunde liegenden gesellschaftlichen Verhältnisse nicht als gesellschaftliche Arbeitsverhältnisse von Menschen, sondern diese faktisch grundlegenden, gesellschaftlichen Verhältnisse erscheinen ihnen nun selber einerseits wie rein „sachliche“ Verhältnisse zwischen sich als Warenproduzenten und umgekehrt bekommen die sachhaften Warenverhältnisse den Charakter von quasipersönlichen Verhältnissen zwischen selbsttätigen Warenkörpern auf einem eigengesetzlichen Warenmarkt.[20] Von dieser Verkehrung haben die Menschen zunächst kein Bewusstsein; denn auch ihr Selbstbewusstsein ist ja im selben Maß versachlicht. Zugleich spricht Marx aber auch aus, dass er diese Verkehrung für eine nicht nur so-und-nicht-anders-gewordene, sondern auch geschichtlich veränderliche Gesellschafts- und Wirtschaftsform hält. Zunächst ist aber diese Veränderlichkeit sachhaft verschleiert durch die fix und fertige Wertform der Ware in Geldform[21] – so dass es scheint, als könne man nur den Preis der Ware aber nicht den Warencharakter der Gebrauchsgegenstände als solchen verändern. Dass aber eine derartige gesellschaftlich bedingte Wirtschaftsordnung, wo das Arbeitsprodukt als Ware selbständig wird gegenüber seinem Produzenten, eigentlich eine total verkehrte ist, das – sagt Marx – sei sofort einzusehen, wenn man sie mit andern geschichtlichen Gesellschafts- und Wirtschaftsverhältnissen vergleicht. Denn wie immer man z. B. das „finstere” Mittelalter und seine persönlichen Abhängigkeitsverhältnisse beurteilen möge: die gesellschaftlichen Verhältnisse der Personen in ihren Arbeiten erscheinen[22] hier jedenfalls als ihre eigenen persönlichen Verhältnisse und sind nicht „verkleidet in gesellschaftliche Verhältnisse der Sachen”. Weil hier „persönliche Abhängigkeitsverhältnisse die gegebene gesellschaftliche Grundlage bilden, brauchen Arbeiter und Produkte nicht eine von ihrer Realität verschiedene phantastische Gestalt anzunehmen. Die Naturalform der Arbeit, ihre Besonderheit und nicht, wie auf Grundlage der Warenproduktion, ihre Allgemeinheit, ist hier ihre unmittelbare gesellschaftliche Form“ (Kapital I6, S. 43 ff.). Im Anschluss an diese historische Perspektive entwickelt Marx die Möglichkeit einer zukünftigen kommunistischen Gesellschaftsordnung, um der „Durchsichtigkeit” ihrer gesellschaftlichen Beziehungen zu den eigenen Arbeitsprodukten nochmals die undurchsichtige Verkehrtheit der modernen Warenwelt – ihre Unmenschlichkeit – entgegenzuhalten. – Die Warenwelt kann also überhaupt nur aufgehoben werden durch eine grundsätzliche Veränderung der gesamten konkreten Lebensverhältnisse des Menschen. Der Zurücknahme des Warencharakters in den Gebrauchscharakter entspricht nicht nur eine Entkapitalisierung,[23] sondern die Notwendigkeit einer Zurücknahme des sachhaft verselbständigten Teilmenschen überhaupt in einen „natürlichen” Menschen, dessen menschliche Natur aber nach Marx darin besteht, dass er von Grund aus ein „zoon politikon” ist.

Zeitgeschichtlich ist es äußerst charakteristisch, dass das, was Marx als eine „Selbstentfremdung” der modernen Menschenwelt verneint und Weber als „unentrinnbares Schicksal” bejaht, Hegel noch positiv rechtfertigen konnte. Im § 67 der Rechtsphilosophie führt Hegel aus, dass der Mensch von seinen besonderen körperlichen und geistigen Möglichkeiten der Tätigkeit einzelne Produktionen und einen zeitlich beschränkten Gebrauch veräußern könne, weil sie in dieser Beschränkung nur ein „äußerliches“ Verhältnis zur menschlichen „Totalität” und „Allgemeinheit” hätten. Diese persönliche Veräußerung setzt Hegel ausdrücklich gleich dem Verhältnis des Menschen zur Sache. Hinsichtlich dieses Verhältnisses führt er aus (§ 61), dass eine Sache zu ihrer eigentlichen Bestimmung gerade und erst dadurch kommt, dass sie vom Menschen zu dem, wozu sie (ihrer sachlichen Natur nach) da ist – nämlich zum Gebrauch – benutzt und gebraucht wird. Erst der volle Gebrauch der Sache – also dieses der Sache „selbst oder an sich” scheinbar ganz „Äußerliche” – lässt sie auch selbst allererst im ganzen Umfang dessen, was sie ist, zur Geltung kommen. Die Substanz der Sache ist also geradezu ihre „Äußerlichkeit” und die realisierte Äußerlichkeit ihr Gebrauch. Mit dem Gebrauch einer Sache habe man daher auch schon die Sache selbst zu eigen und dies sei der ursprüngliche Sinn von „Eigentum”. Ebenso ist die Totalität menschlicher Lebensäußerung und der totale Gebrauch der menschlichen Kräfte identisch mit dem Ganzen des substantiellen Lebens selbst. – Aus dieser Identität der Substanz des persönlichen Lebens mit der Totalität seiner Äußerung folgt nun aber keineswegs das, was Hegel daraus entnimmt: dass nämlich eine besondere, einzelne Tätigkeit an einer einzelnen Produktion innerhalb einer täglich beschränkten Zeit nur schon deshalb, weil sie an sich ein „beschränktes“ und „äußeres“ Verhältnis des Menschen zu sich selbst ist, nicht dennoch die wirkliche Totalität des ganzen Menschen aufzehren und den Menschen im Ganzen als eine Besonderheit bestimmen oder sich selbst entfremden könnte – unbeschadet der philosophischen „Äußerlichkeit” eines solchen Verhältnisses. Auf diese unvernünftige Wirklichkeit kommt es aber Hegels Philosophie, für die das „Allgemeine“ des Menschen der „Geist” war, nicht an. Und so entsteht bei Hegel folgender merkwürdiger Zusatz (zu § 67); „Der hier auseinandergesetzte Unterschied ist der zwischen einem Sklaven und dem heutigen Gesinde oder einem Taglöhner. Der athenäische Sklave hatte vielleicht leichtere Verrichtung und geistigere Arbeit als in der Regel unsere Dienstboten, aber er war dennoch Sklave, weil der ganze Umfang seiner Tätigkeit veräußert war.” Marx folgert daraus genau das Gegenteil, nämlich dies, dass der rechtlich „freie” Lohnarbeiter in Wirklichkeit unfreier ist als der antike Sklave, denn wenn er auch rechtlich der freie Eigentümer seines Arbeitsvermögens ist und ebenbürtig dem Besitzer der Produktionsmittel, und nicht sich selbst, sondern „nur“ seine Arbeitstraft und auch diese nur auf jeweils begrenzte Zeit verkauft – so wird er damit doch ganz und gar zur „Ware”, denn diese seine verkäufliche Arbeitskraft ist ja das Einzige was er faktisch „besitzt” und veräußern muss um davon leben zu können (Kapital I6, S. 130 ff.). Dieser freie Lohnsklave verkörpert aber für Marx zugleich das allgemeine Problem der modernen, warenproduzierenden Gesellschaft, wogegen der antike Sklave außerhalb der überhaupt in Betracht kommenden „menschlichen” Gesellschaft stand, so dass sein Schicksal ohne allgemeine Bedeutung war. (Vgl. hierzu die „offenherzige”, zynische Form der Hegelschen Unterscheidung von menschlicher Totalität und Äußerlichkeit in Hugos Naturrecht § 144 und dazu die Kritik von Marx, Nachl. I, S. 268 ff.).

 

III. Der politische Ausdruck der menschlichen Selbstentfremdung in der bürgerlichen Gesellschaft

„Die Abstraktion des Staats als solchen gehört erst der modernen Zeit, weil die Abstraktion des Privatlebens erst der modernen Zeit gehört.” „Der wirkliche Mensch (dieser modernen Zeit) ist der Privatmensch der jetzigen Staatsverfassung.”. (Marx, Krit. der Hegelschen Rechtsphilosophie, W. I, I S. 437 und 499.)

Der spezifisch politische Ausdruck der menschlichen Selbstentfremdung ist der innere Widerspruch zwischen dem modernen Staat und der bürgerlichen Gesellschaft bzw. der Widerspruch des Menschen der bürgerlichen Gesellschaft und des bürgerlichen Staates in sich selbst: dass er teils Privatmensch und teils öffentlicher Staatsbürger, aber weder als dieser noch als jener ein „ganzer”, d. h. für Marx als Hegelianer: „widerspruchsloser“ Mensch ist. Indirekt ist bereits die Kritik der Ökonomie als Kritik der „politischen“ Ökonomie eine Kritik der gesellschaftlichen und staatlichen Lebensverhältnisse der so und nicht anders wirtschaftenden Menschheit. Und ebenso wie die Kritik der Ware den Warencharakter aller unserer Gegenstände, deren fundamental-ontologische Struktur betrifft, also letztlich eine verkehrte, versachlichte Art des Menschseins, so betrifft auch die Kritik der bürgerlichen Gesellschaft und des bürgerlichen Staates die Bürgerlichkeit als solche, diese bestimmte Art des Menschseins, nämlich die private Menschlichkeit, die Privatheit. Die thematische Kritik der gesellschaftlich-politischen Grundverhältnisse der modernen Menschenwelt gibt Marx vor allem an Hand der Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie[24] und in der Auseinandersetzung mit B. Bauers Abhandlung zur Judenfrage (die vielfach entsprechenden aber unsystematischen Hinweise in der „Heiligen Familie” können hier außer Betracht bleiben). Beide Abhandlungen stellen in systematischer Weise die menschliche Selbstentfremdung in ihrer politisch-gesellschaftlichen Gestalt heraus. Die menschliche Partikularität, welche in diesen Schriften bekämpft wird, ist nicht der Mensch als Geld- und Warenbesitzer, sondern die menschliche Besonderheit als solche, im Unterschied und Gegensatz zur öffentlichen Allgemeinheit des Daseins. Das Besondere am bürgerlichen Menschen, was ihn für sich heraushebt, indem es ihn von der Allgemeinheit des öffentlichen Lebens absondert und abhebt, ist: dass er als „Mensch” vorzüglich Privatmensch und in diesem Sinn „Bourgeois” ist. Die Kritik dieser Besonderheit des Menschen der bürgerlichen Gesellschaft schließt sich bis ins einzelne unmittelbar an Hegels Kritik der bürgerlichen Gesellschaft an.[25] Denn „Hegel ist nicht zu tadeln, weil er das Wesen des modernen Staates schildert, wie es ist, sondern weil er das, was ist, für das Wesen des Staates ausgibt” (W. I, I S. 476), weil er überhaupt die Empirie „mystifiziert”, so dass der Inhalt seiner Ausführungen „krassester Materialismus” (!) ist (W. I, I S. 526). Hegel ist Materialist, sofern er das faktisch Bestehende als ein innerlich Notwendiges anerkennt und es philosophisch absolut setzt. Was Hegel tatsächlich darstellt, ist – in Marxens Interpretation – nichts anderes, als der durchgängige Konflikt zwischen bürgerlicher Gesellschaft und Staat. „Das Tiefere bei Hegel liegt darin, dass er die Trennung der bürgerlichen Gesellschaft und der politischen als einen Widerspruch empfindet. Aber das Falsche ist, dass er sich mit dem Schein dieser Auflösung begnügt” (W. I, I S. 492). Was schon Hegel erkannt hat und Marx in den Mittelpunkt rückt, ist der grundsätzlich private Charakter des Menschen der bürgerlichen Gesellschaft. Der Stand der bürgerlichen Gesellschaft ist daher – als Privatstand – eigentlich überhaupt kein politischer Stand.

„Als wirklicher Bürger findet er sich in einer doppelten Organisation, der bureaukratischen – die ist eine äußere formelle Bestimmung des jenseitigen Staats, der Regierungsgewalt, die ihn und seine selbständige Wirklichkeit nicht tangiert –, der sozialen, der Organisation der bürgerlichen Gesellschaft. Aber in dieser steht er als Privatmann außer dem Staate; die tangiert den politischen Staat als solchen nicht… Um also als wirklicher Staatsbürger sich zu verhalten, politische Bedeutsamkeit und Wirksamkeit zu erhalten, muss er aus seiner bürgerlichen Wirklichkeit heraustreten, von ihr abstrahieren, von dieser ganzen Organisation in seine Individualität sich zurückziehen; denn die einzige Existenz, die er für sein Staatsbürgertum findet, ist seine pure blanke Individualität, denn die Existenz des Staats als Regierung ist ohne ihn fertig, und seine Existenz in der bürgerlichen Gesellschaft ist ohne den Staat fertig. Nur im Widerspruch mit diesen einzig vorhandenen Gemeinschaften, nur als Individuum kann er Staatsbürger sein. Seine Existenz als Staatsbürger ist eine Existenz, die außer seinen gemeinschaftlichen Existenzen liegt, die also rein individuell ist” (W. I, I S. 494).[26]

Diese Geteiltheit der besonderen und allgemeinen Interessen, welche zugleich den in ihnen lebenden Menschen selber in eine vorzüglich private und außerdem noch öffentliche Existenz auseinandersetzt, bekämpft Marx als eine menschliche Selbstentfremdung. Denn als Staatsbürger ist sich der Bourgeois – da er für sich Privatmensch ist – notwendig selber etwas Anderes, Äußeres, fremd – genau so fremd wie anderseits dem Staat sein Privatleben bleibt. Sein Staat ist ein „abstrakter” Staat, weil er als bürokratisch rationalisierter Verwaltungsstaat vom wirklichen, d. i. privaten Leben seiner Bürger abstrahiert, so wie diese als individuelle Menschen von ihm. Die jetzige bürgerliche Gesellschaft ist daher im Ganzen das durchgeführte Prinzip des Individualismus, die individuelle Existenz der letzte Zweck, dem alles andere nur Mittel zum Zweck ist. Die Bestimmung des Menschen: Mitglied des Staates zu sein, bleibt notwendig eine „abstrakte” Bestimmung, solange die wirklichen modernen Lebensverhältnisse eine Trennung des wirklichen Lebens vom Staatsleben voraussetzen (W. I, I S, 538). Als Privatmensch im Unterschied zur öffentlichen Allgemeinheit ist dieser Mensch selber nur eine privative Art des Menschseins. Im kommunistischen Gemeinwesen ist es aber gerade umgekehrt: in ihm nehmen die Individuen als Individuen, höchstpersönlich, am Staat als ihrer „res publica“ teil.[27]

Aus dem Konflikt dieses im Grunde unpolitischen, weil nur „politischen“ Staates, bzw. des Menschen der bürgerlichen Gesellschaft mit sich selbst, aus „den eigenen Formen der existierenden Wirklichkeit” die „wahre Wirklichkeit und ihr Sollen als ihren Endzweck” zu entwickeln, um so aus der Kritik dieser alt gewordenen Welt[28] die neue zu finden, das bezeichnet Marx in einem Brief (W. I, I S. 572 ff.) als sein Vorhaben. Und tatsächlich vollzieht sich die „positive“ Ausbildung seiner Idee von einer menschlichen Gesellschaft und damit vom Menschen ganz und gar als kritische Aufhebung und nur als Aufhebung des – vorausgesetzten – bürgerlichen Widerspruchs von Privatheit und Öffentlichkeit. Die privativ private Menschlichkeit des Menschen der bürgerlichen Gesellschaft soll sich in einem Gemeinwesen aufheben, welches das ganze Wesen des Menschen, auch seine „theoretische“ Existenz ergreift, ihn von Grund aus zu einem kommunistischen, allgemeinen Menschen macht – im ausdrücklichen Gegensatz zu jenem „wirklichen” Kommunismus (von Cabet, Weitling u. dgl.), der selber noch ein „aparter”, eine „dogmatische Abstraktion” ist, weil er noch eine „von seinem Gegensatz, dem Privatwesen, infizierte Erscheinung des humanistischen Prinzips” ist (W. I, I S. 573).[29] Ja das „ganze sozialistische Prinzip”, so für sich genommen, sei auch nur eine Seite der vollen „Realität des wahren menschlichen Wesens”.

Dieser radikalen Reduktion und Destruktion aller vereinzelten und in dieser Vereinzelung verselbständigten Existenzweisen entspricht auch die Zurücknahme jeder religiösen Besonderheit in den Menschen schlechthin. Denn die Religion sei nicht mehr der „Grund”, sondern nur noch das „Phänomen”, die Erscheinungsweise der menschlichen Beschränktheit (W. I, I S. 581), der eigentliche Grund dagegen die Beschränktheit des Menschseins selber auf den Privatmenschen, eine Art von Beschränktheit, welche weder die Antike noch das Mittelalter gekannt habe (W. I, I S 437).[30]

Die Destruktion jeder religiösen Besonderheit des Menschen hat Marx im Anschluss an B. Bauers Abhandlung zur Judenfrage durchgeführt. Die scheinbar konkretere Frage, wie man die Juden in Deutschland politisch emanzipieren könne, überspringt Marx sofort mit dem ersten Satz. Denn eine politische Emanzipation der Juden sei belanglos, wenn sie nicht „menschlich” emanzipiert sind. Das sind die Juden aber nach Marx so wenig wie die Deutschen, welche sie emanzipieren sollen. „Warum missfällt ihnen ihr spezielles Joch, wenn ihnen das allgemeine gefällt?” Solange der Staat christlich und der Jude jüdisch ist – stimmt Marx Bauer zu –, sind beide eben so wenig fähig, die Emanzipation (nämlich des Menschen zum Menschen) zu verleihen als zu empfangen. Diese Reduktion auf rein „menschliche“ Verhältnisse bezeichnen sowohl Bauer wie Marx zugleich als das einzig „kritische” und „wissenschaftliche“ Verhalten! (W. I, I S. 578). An dem Punkt jedoch, wo die Frage aufhört theologisch zu sein, da höre Bauer auf kritisch zu sein, und hier setzt Marx selber ein, indem er das Verhältnis der politischen Emanzipation zur menschlichen Emanzipation untersucht. Die Grenze der bloß politischen Emanzipation zeige sich darin, dass „der Staat ein Freistaat sein kann, ohne dass der Mensch ein freier Mensch wäre”. Um also den Juden, ebenso wie den Christen, wirklich zu emanzipieren, bedarf es keiner staatlichen Religionsfreiheit, sondern der menschlichen Freiheit von der Religion als solcher. Die Frage ist daher eine ganz allgemeine und grundsätzliche; sie betrifft die Emanzipation von jeder Partikularität im Menschsein überhaupt, von jeder Art des Fachmenschentums – ebenso sehr den modernen Berufsmenschen wie den religiösen Menschen und den Privatmenschen, im jeweiligen Unterschied zu den allgemeingesellschaftlichen Interessen.

„Die Differenz zwischen dem religiösen Menschen und dem Staatsbürger ist die Differenz zwischen dem Kaufmann und dem Staatsbürger, zwischen dem Taglöhner und dem Staatsbürger, zwischen dem Grundbesitzer und dem Staatsbürger, zwischen dem lebendigen Individuum und dem Staatsbürger. Der Widerspruch, in dem sich der religiöse Mensch mit dem politischen Menschen befindet, ist derselbe Widerspruch, in welchem sich der bourgeois mit dem citoyen, in welchem sich das Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft mit seiner politischen Löwenhaut befindet” (W. I, I S. 585).[31]

Bauer aber lasse die Spaltung zwischen dem politischen Staat und der bürgerlichen Gesellschaft – diese „weltlichen Gegensätze“ – auf sich beruhen und polemisiere nur gegen deren religiösen Ausdruck. Diese Zersetzung jedoch des Menschen in Jude und Staatsbürger oder auch in Protestant und Staatsbürger, sei eigentlich keine Lüge gegen das Staatsbürgertum, sondern die nur politische Weise, sich von der Religion zu emanzipieren. Die Besonderung der Religion ist aber selbst nur ein Ausdruck für die durchgängige Auseinandergesetztheit des modernen Menschen der bürgerlichen Gesellschaft, sie repräsentiert nur die allgemeine „Entfernung des Menschen vom Menschen“, seine Selbstentfremdung (W. I, I S. 590), d. i. den innermenschlichen Unterschied zwischen dem „individuellen und dem Gattungsleben”.

„Wir sagen also nicht mit Bauer den Juden: Ihr könnt nicht politisch emanzipiert werden, ohne euch radikal vom Judentum zu emanzipieren. Wir sagen ihnen vielmehr: Weil ihr politisch emanzipiert werden könnt, ohne euch vollständig und widerspruchslos vom Judentum loszusagen, darum ist die politische Emanzipation selbst nicht die menschliche Emanzipation. Wenn ihr Juden politisch emanzipiert werden wollt, ohne euch selbst menschlich zu emanzipieren, so liegt die Halbheit und der Widerspruch nicht nur in euch, sie liegt in dem Wesen und der Kategorie der politischen Emanzipation. Wenn ihr in dieser Kategorie befangen seid, so teilt ihr eine allgemeine Befangenheit. Wie der Staat evangelisiert, wenn er, obschon Staat, sich christlich zu dem Juden verhält, so politisiert der Jude, wenn er, obschon Jude, Staatsbürgerrechte verlangt” (W. I, I S. 591).

Denselben unvollkommenen Charakter der Emanzipation weist Marx abschließend an der inneren Grenze der französischen (und amerikanischen) Menschenrechte nach. Auch hier zeige sich, dass die „droits de l’homme” keine Menschen-Rechte sondern bürgerliche Privilegien waren, weil dieser bestimmte geschichtliche „homme” als citoyen unterschieden war von sich selbst als bourgeois. Die Erklärung der Menschenrechte setzte – de facto – den Menschen als bourgeois, den Privatmenschen als der eigentlichen und wahren Menschen voraus.

„Keines der sogenannten Menschenrechte geht also über den egoistischen Menschen hinaus, über den Menschen, wie er Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft, nämlich auf sich, auf sein Privatinteresse und seine Privatwillkür zurückgezogenes und vom Gemeinwesen abgesondertes Individuum ist. Weit entfernt, dass der Mensch in ihnen als Gattungswesen aufgefasst wurde, erscheint vielmehr das Gattungsleben selbst, die Gesellschaft, als ein den Individuen äußerlicher Rahmen, als Beschränkung ihrer ursprünglichen Selbständigkeit. Das einzige Band, das sie zusammenhält, ist die Naturnotwendigkeit, das Bedürfnis und das Privatinteresse, die Konservation ihres Eigentums und ihrer egoistischen Person“ (W. I, I S. 585).

Die wahrhaft menschliche Emanzipation ist daher erst vollbringen.

„Die politische Emanzipation ist die Reduktion des Menschen einerseits auf das Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft, auf das egoistische unabhängige Individuum, andererseits auf den Staatsbürger… Erst wenn der wirkliche individuelle Mensch den abstrakten Staatsbürger in sich zurücknimmt und als individueller Mensch in seinem empirischen Leben, in seiner individuellen Arbeit, in seinen individuellen Verhältnissen, Gattungswesen geworden ist, erst wenn der Mensch seine »forces propres« als gesellschaftliche Kräfte erkannt und organisiert hat und daher die gesellschaftliche Kraft nicht mehr in der Gestalt der politischen Kraft von sich trennt, erst dann ist die menschliche Emanzipation vollbracht” (W. I, I S. 599).

Die Freiheit, zu welcher der Mensch in der Idee von Marx emanzipiert werden soll, ist somit die Freiheit im Sinn der Hegelschen Staatsphilosophie, d. h. eine Freiheit der höchsten Gemeinschaft – im Gegensatz zur Scheinfreiheit des „vereinzelten Einzelnen”. Und weil der Mensch der griechischen polis in dieser Hinsicht freier war als der Mensch der bürgerlichen Gesellschaft[32] und das Christentum seiner Idee nach ebenfalls „demokratisch” ist, sofern ihm jeder Mensch als „souveränes“ Wesen gilt, deshalb kann Marx sagen:

„Das Selbstgefühl des Menschen, die Freiheit, wäre in der Brust dieser Menschen erst wieder zu erwecken. Nur dies Gefühl, welches mit den Griechen aus der Welt und mit dem Christentum in den blauen Dunst des Himmels verschwindet, kann aus der Gesellschaft wieder eine Gemeinschaft der Menschen für ihre höchsten Zwecke, einen demokratischen Staat machen“ (W. I, I S. 561).[33]

Erst in dieser den Menschen als solchen betreffenden Gemeinschaft, also durch eine gesellschaftliche Veränderung im Menschsein und im menschlichen Selbstbewusstsein selber (die aber weder rein „innerlich” noch rein „äußerlich” bewirkbar ist) wird wahrhaft-persönliche Freiheit möglich. Der Privatmensch der bürgerlichen Gesellschaft ist dagegen nur seiner eigenen Vorstellung nach besonders frei – in Wirklichkeit jedoch allseitig abhängig und „unter sachliche Gewalt subsumiert“.[34]

 

IV. Der unmittelbar soziale Ausdruck der menschlichen Selbstentfremdung im Proletariat .

„Wenn die sozialistischen Schriftsteller dem Proletariat diese weltgeschichtliche Rolle zuschreiben, so geschieht dies keineswegs, … weil sie die Proletarier für Götter halten. Vielmehr umgekehrt.” (Nachlass II S. 133.)

 

Bereits die Einleitung zur Kritik von Hegels Rechtsphilosophie enthält den Satz: „Die Auflösung der Gesellschaft als ein besonderer Stand ist das Proletariat.” In ihm liegt die positive Möglichkeit der menschlichen Emanzipation, aber nicht sofern es eine besondere Klasse der bürgerlichen Gesellschaft ist, sondern weil und sofern es eine Gesellschaft außerhalb der Gesellschaft ist, „welche nicht mehr auf einen historischen, sondern nur noch auf den menschlichen Titel provozieren kann, welche in keinem einseitigen Gegensatz zu den Konsequenzen, sondern in einem allseitigen Gegensatz zu den Voraussetzungen des deutschen Staatswesens steht, eine Sphäre endlich, welche sich nicht emanzipieren kann, ohne sich von allen übrigen Sphären der Gesellschaft und damit alle übrigen Sphären der Gesellschaft zu emanzipieren, welche mit einem Wort der völlige Verlust des Menschen ist, also durch die völlige Wiedergewinnung des Menschen sich selbst gewinnen kann” (W. I, I S. 619/620).

Mit dem so verstandenen Proletariat hat Marxens Philosophie, für welche das höchste Wesen der Mensch, nämlich als Gattungswesen ist, ihre natürliche Waffe gefunden und umgekehrt das Proletariat seine geistige. „Der Kopf dieser Emanzipation ist die Philosophie, ihr Herz das Proletariat.“ Im selben Sinn heißt es in der „Heiligen Familie” (Nachlass II. s, 131 ff.), dass zwar an sich die besitzende Klasse und das Proletariat im Grunde ein und dieselbe Selbstentfremdung darstellen, aber die eine Klasse weiß sich in dieser Selbstentfremdung wohl und bestätigt ohne ein kritisches Bewusstsein von ihr zu haben, die andere ist „die ihrer Entmenschung bewusste und darum sich aufhebende Entmenschung”. Das Proletariat ist gleichsam das Selbstbewusstsein der „Ware”, weil es sich selbst gleich einer Ware veräußern muss, gerade dadurch aber ein kritisch-revolutionäres Bewusstsein, ein Klassenbewusstsein entwickelt. In gewisser Weise ist der proletarische Mensch aber auch weniger entmenscht als der Bourgeois, weil er es offensichtlich und nicht in einer ihm selbst verborgenen und vergeistigten Weise ist.[35] Weil das Proletariat aber in seinen Lebensverhältnissen alle Lebensverhältnisse der ganzen heutigen Gesellschaft „in ihrer unmenschlichen Spitze zusammenfasst”, so kann es sich auch gar nicht selbst befreien ohne damit die ganze Gesellschaft zu emanzipieren. Diese allgemein-menschliche Funktion des Proletariats wird in der Deutschen Ideologie im Zusammenhang mit der Universalität des modernen Verkehrs, der Weltwirtschaft näher entwickelt.

„Nur die von aller Selbstbetätigung vollständig ausgeschlossenen Proletarier der Gegenwart sind imstande, ihre vollständige, nicht mehr bornierte Selbstbetätigung, die in der Aneignung einer Totalität von Produktivkräften und der damit gesetzten Entwicklung einer Totalität von Fähigkeiten besteht, durchzusetzen. Alle früheren revolutionären Aneignungen waren borniert; Individuen, deren Selbstbetätigung durch beschränktes Produktionsinstrument und einen beschränkten Verkehr borniert war, eigneten sich dies beschränkte Produktionsinstrument an und brachten es daher nur zu einer neuen Beschränktheit. Ihr Produktionsinstrument wurde ihr Eigentum, aber sie selbst blieben unter der Teilung der Arbeit und unter ihr eigenes Produktionsinstrument subsumiert. Bei allen bisherigen Aneignungen blieb eine Masse von Individuen unter ein einziges Produktionsinstrument subsumiert; bei der Aneignung der Proletarier müssen eine Masse von Produktionsinstrumenten unter jedes Individuum und das Eigentum unter alle subsumiert werden. Der moderne universelle Verkehr kann nicht anders unter die Individuen subsumiert werden, als dadurch, dass er unter alle subsumiert wird” (Deutsche Ideologie, S. 296).

Also nicht weil die Proletarier „Götter” wären, sondern weil das Proletariat für Marx das Allgemeinmenschliche, das Gattungswesen Mensch in seiner Negation, im Extrem der Selbstentfremdung verkörpert, hat es eine fundamentale und universale Bedeutung – analog dem Warencharakter aller modernen Gegenstände. Weil der Lohnarbeiter ganz und gar durch die „irdische Frage in Lebensgröße“ veräußerlicht ist, weil er überhaupt kein „Mensch”, sondern ein bloßer Verwerter und Verkäufer seiner Arbeitskraft, eine personifizierte Ware ist, hat sein Stand eine universale Funktion. In ihr zeigt sich die Wirtschaft am ausgeprägtesten als menschliches Schicksal, und so wird mit der zentralen Bedeutung des Proletariats, als dem Kern der modernen gesellschaftlichen Problematik überhaupt, notwendigerweise die Ökonomie zur „Anatomie” der bürgerlichen Gesellschaft. Mit der Selbstbefreiung des Proletariats als dem schlechthin allgemeinen Stand, der überhaupt kein besonderes Interesse zu vertreten hat, löst sich, zugleich mit der privaten Menschlichkeit, deren privates Eigentum und die privat-kapitalistische Wirtschaft auf, der Grundcharakter ihrer Privatheit. Sie hebt sich auf in der allgemeinen Menschlichkeit des allen gemeinsamen Gemeinwesens mit Gemeinbesitz und Gemeinwirtschaft. An die Stelle der bloßen Un-Abhängigkeit des bürgerlichen Individuums tritt die positive Freiheit der höchsten Gemeinschaft, aber keiner Gemeinschaft der „kleinsten Gemeinschaftskreise“ und der „unmittelbarer Beziehungen der Einzelnen zueinander”,[36] sondern Gemeinschaft des öffentlichen Lebens.

Marx untersucht also nicht in der Art einer empirischen Fachsoziologie bloße Zusammenhänge, Beziehungen, Entsprechungen und „Wechselwirkungen”[37] zwischen einzelnen und an sich gleichwertigen Wirklichkeitsgebieten oder „Faktoren”, die zusammenaddiert dann das Ganze der Wirklichkeit ausmachen wollen; er war kein „abstrakter Empiriker“.[38] Ebenso wenig war er aber ein abstrakt-philosophischer „Materialist” der alles aus der bloßen Ökonomie „deduziert” hätte, sondern: Marx analysiert das einheitliche Ganze unserer fragwürdigen Menschenwelt am Leitfaden der menschlichen Selbstentfremdung, als deren „Spitze” ihm das Proletariat galt. Die Selbstentfremdung wird ihrerseits auf ihre mögliche Aufhebung hin angesehen und diese bedeutet für Marx nicht mehr und nicht weniger als eine Aufhebung des bürgerlichen Widerspruchs (wie ihn schon Hegel formuliert hatte) von Besonderheit und Allgemeinheit, Privatheit und Öffentlichkeit – in einer nicht nur klassenlosen, sondern in jeder Hinsicht entrationalisierten Gesellschaft, deren „Mensch schlechthin” gesellschaftliches Gattungswesen ist.[39] Dass diese „Selbstentfremdung” durch Art und Entwicklungsstufe der „materiellen” Produktionsverhältnisse, durch die „naturwüchsige“ Teilung der Arbeit, überhaupt durch das Insgesamt der konkreten Lebensverhältnisse „bedingt“ ist, das besagt nicht, dass sie nichts weiter wäre als das „Erzeugnis” einer besonderen, rein wirtschaftlichen Verkehrung. Sie erzeugt sich weder aus purer luftiger „Innerlichkeit” noch aus purer massiver „Äußerlichkeit”, denn beides ist nicht zu trennen, wenn der „Mensch“ die „Welt” des Menschen, sein „Leben” „Lebensäußerung” und sein „Selbstbewusstsein” „Weltbewusstsein” ist. Der Fortschritt der „Deutschen Ideologie” und z.T. schon der „Heiligen Familie” über die Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie hinaus besteht nicht in einem Fallenlassen des Prinzips der Selbstentfremdung des Menschen, sondern in deren Konkretisierung. Konkreter wird ihre Fassung aber nicht dadurch, dass sie nun auf einen abstrakt-ökonomischen „Faktor” ursächlich festgelegt würde, sondern dadurch, dass sie in den konkret-differenzierten Zusammenhang der faktischen Lebensverhältnisse einbezogen wird – dass sich die „Kategorie”: der Mensch konkret-geschichtlich bestimmt.[40] Der „wirkliche” Mensch ist aber auch nicht der Mensch „in seiner zufälligen Existenz… wie er geht und steht… wie er durch die ganze Organisation unserer Gesellschaft… veräußert… ist” (W. I, I S. 590), dieser „Schein” seiner selbst, sondern seine „wahre Wirklichkeit” und diese ist der Mensch in der Idee. Bloß ausgedacht hat sich Marx diese seine Idee vom Menschen dennoch so wenig, wie irgendein anderer Kritiker der Gesellschaft – aber empirisch vorgefunden hat er sie ebenso wenig. Die Realität, welche sie trägt, ist nach Marxens Überzeugung die gesellschaftliche Problematik in ihrer geschichtlichen Bewegungstendenz, so dass sich deren „Wirklichkeit” zu diesem „Gedanken drängt“ und nicht nur „der Gedanke zur Wirklichkeit“. Gewiss hatte Marx in der Deutschen Ideologie mit seinem „philosophischen Gewissen” „abgerechnet”, aber er hat im Unterschied zu der wissenschaftlichen Wissenschaft[41] so vieler Marxisten doch ein philosophisches Gewissen besessen und dieses Gewissen hat den Hegelianer Marx nicht nur veranlasst, die „wirklichen Bedingungen“ des Menschseins herauszustellen, sondern auch umgekehrt verhindert: nun aus den Bedingungen selbst wiederum ein Unbedingtes zu machen, das „Bewusstsein“ in gesellschaftlichen „Sein“ oder auch dieses in jenem aufgehen zu lassen. Vielmehr hat Marx die Philosophie verwirklichen wollen, indem er sie aufhob und aufheben wollen durch Verwirklichung.[42] Die Art und Weise seiner geplanten Verwirklichung der Philosophie ist aber notwendig bedingt durch das, was ihm innerhalb dessen, „was ist”, als das wahrhaft-seiende begegnet ist und was er demgemäß „in letzter Linie” – gewollt hat, nämlich ein gänzlich anderes als Weber.

 

C. Webers Kritik der materialistischen Geschichtsauffassung

 

Der Titel, unter dem Weber seine religionssoziologischen Untersuchungen 1918 vortrug, war: „Positive Kritik der materialistischen Geschichtsauffassung”.[43] Zehn Jahre vorher gab Weber in seiner Kritik von Stammlers „sogenannter“ Überwindung der materialistischen Geschichtsauffassung (W.L., S. 291 ff.) indirekt ebenfalls schon eine Kritik des Marxismus mit Rücksicht auf dessen prinzipielle Methode. Die „materialistische Geschichtsauffassung”, welche Webers Kritik voraussetzt, ist sowohl der Sache wie dem Worte nach bei Marx selber, und insbesondere beim jungen Marx – der noch nicht mit seinem „philosophischen Gewissen” abgerechnet hatte[44] – nicht zu finden. Sie ist ein Produkt des durch F. Engels und den späteren Marx in die Wege geleiteten ökonomischen Vulgärmarxismus. Der ursprüngliche und volle Gehalt von Marxens kritischer Analyse des Menschen der bürgerlichen Wirtschaftsgesellschaft ging damit mehr oder minder verloren. Der dadurch bedingten Fehlkritik von Weber an Marx steht zur Seite eine analoge Verkennung der ursprünglichen und umfassenden Forschungsmotive der Weberschen Soziologie vonseiten der bürgerlichen Fachsoziologie. Wie diese den leitenden Gesichtspunkt von Webers soziologischen Untersuchungen: das menschengeschichtliche Phänomen der Rationalisierung in stofflicher Bereicherung und methodologischen Erörterungen zugedeckt hat, so hat sich umgekehrt Weber – und zwar im Verein mit dem Vulgärmarxismus – den ursprünglich leitenden Gesichtspunkt von Marx: das menschengeschichtliche Phänomen der Selbstentfremdung, in antimarxistischen Argumentationen verdeckt. Trotzdem bekundet sich auch noch in der verfehlten Form von Webers Kritik das eigentliche Motiv seiner Differenz zu Marx. Dieses eigentliche Motiv gilt es noch aus verfehlten Angriffsform herauszuheben, um die Differenz zwischen Weber und Marx auf ihren ursprünglichen Boden zurückverlegen,

 

Webers indirekte Marx-Kritik in der Auseinandersetzung mit Stammler

Wenn wir ganz davon absehen, dass der parodistische Dialog zwischen dem supponierten sozialphilosophischen „Spiritualisten” oder auch „Materialisten“ (W.L., S. 299) und dem soziologischen „Empiriker” mit dem „gesunden Menschenverstand” (Weber), direkt nur Stammlers Übernahme und Modifikation der materialistischen Geschichtsauffassung treffen will und nur darauf hinsehen, wie in dieser Stellungnahme zu Stammler zugleich eine solche zu Marx selber mit zu Worte kommt, so ist aus dem 2. Abschnitt dieser Kritik im Prinzip für Webers wissenschaftliche Selbstauslegung und die ihr entsprechende Marx-Kritik folgendes zu entnehmen: Die spiritualistische These, dass „in letzter Linie“ die Menschengeschichte einschließlich des politischen und wirtschaftlichen Geschehens nichts anderes als religiöse Kämpfe widerspiegle, dass sie somit überhaupt einheitlich und eindeutig zu erklären (aber nicht aus vielerlei sich durchkreuzenden Ursachen einen zu komponieren) sei, diese These ist nach Weber erfahrungswissenschaftlich oder „empirisch” genauso unbeweisbar und unwiderlegbar, wie die – nur dem Inhalt, aber nicht der Methode nach entgegengesetzte – materialistische These, dass das „in letzter Instanz” maßgebende Agens der Menschengeschichte wirtschaftliche Kämpfe seien. Beiden gegenüber behauptet der soziologische „Empiriker” Weber, dass über die kausale Bedeutung des Religiösen überhaupt für das soziale Leben überhaupt wissenschaftlich überhaupt nichts auszumachen sei.[45] Eine solche dogmatische Fragestellung sei bestenfalls „heuristisch” verwertbar, wieweit sie aber „tatsächlich” berechtigt ist, das lasse sich nur am geschichtlichen „Einzelfall” durch historische Untersuchung ausmachen. Darüber hinaus könne man noch zu allgemeinen Regeln des geschichtlichen Geschehens kommen. (Das eigentlich positive Ergebnis von Webers Stammler-Kritik ist daher eine Analyse des verschiedenen Sinnes möglicher Regelhaftigkeit.) Die mögliche wissenschaftliche Totalansicht bestehe nicht in der dogmatischen Ausweitung einer einzelnen Komponente, eines Einzelfaktors zum Ganzen einer „Weltformel”, in die nur „Dogmatiker” verbissen seien, sondern in einem Fortschreiten von der notwendigen Einseitigkeit jeder wissenschaftlichen Beobachtungsart unter bestimmten, ihren Gegenstand je einseitig begrenzenden Gesichtspunkten zur Vielseitigkeit der Betrachtungsweisen. Andernfalls sei nicht abzusehen, warum nicht auch der Versuch gemacht werden sollte, soziales Leben in letzter Instanz „aus Schädel-Indizes oder aus der Einwirkung von Sonnenflecken oder etwa aus Verdauungsstörungen abzuleiten”.

 

Webers Marx-Kritik in der Religionssoziologie

Diesen, hier nur sehr verkürzt wiedergegebenen Ausführungen der Stammler-Kritik entspricht der Sinn der verstreuten Bezugnahmen auf Marx in der Religionssoziologie.[46] Auch diese will nicht in dem Sinn eine positive Kritik der materialistischen Geschichtsauffassung sein, dass sie im Gegensatz zu ihr spiritualistisch verfährt, sondern „positiv“ will diese Kritik dadurch sein, dass sie grundsätzlich auf jede Art von eindeutiger Deduktion verzichtet und statt dessen als „konkrete” historische Analyse die gegenseitige Bedingtheit aller Faktoren der geschichtlichen Wirklichkeit aufweist und damit der „Einseitigkeit” spiritualistischer wie materialistischer Geschichtsmetaphysik eo ipso den Boden entzieht. Demgemäß wird der sogenannte Geist des Kapitalismus von Weber weder vulgärmarxistisch als ein bloß ideologischer Geist der kapitalistischen Produktionsverhältnisse verstanden noch als ein davon unabhängig für sich bestehender und ursprünglich religiöser Geist, sondern einen Geist Kapitalismus gibt es für Weber nur insofern, als eine durch die bürgerliche Schicht der Gesellschaft getragene allgemeine Tendenz zu rationaler Lebensführung die innere Wahlverwandtschaft begründet zwischen kapitalistischer Wirtschaft einerseits und protestantischem Ethos anderseits (Rel.Soz., S. 83). Dass Weber in der kritischen Zuspitzung seiner Ausführungen auf den ökonomischen Materialismus diese seine Grundauffassung gelegentlich selber anti-marxistisch ausprägt und dann von diesem Geist wie von einem „ethischen Unterbau” spricht, kann einen daran nicht irre machen.[47] Er selbst macht diese missverständliche Zuspitzung sogleich rückgängig, denn es „soll ganz and gar nicht eine so töricht doktrinäre These verfochten werden, wie etwa die: dass der »kapitalistische Geist«… nur als Ausfluss bestimmter Einflüsse der Reformation habe entstehen können oder wohl gar: dass der Kapitalismus als Wirtschaftssystem ein Erzeugnis der Reformation sei”. Und noch deutlicher heißt es zum Abschluss der Untersuchung, dass es nicht ihre Absicht gewesen sei „an Stelle einer einseitig »materialistischen« eine ebenso einseitig spiritualistische kausale Kultur- und Geschichtsdeutung zu setzen. Beide sind gleich möglich” (Rel.Soz., S. 205), d. h. aber recht verstanden: beide sind „wissenschaftlich” gleich unmöglich![48] Wissenschaftlich unmöglich sind sie aber nicht auf Grund irgendwelcher objektiven Normen der Wissenschaft, sondern auf Grund der Anerkennung des Schicksals der Rationalisierung im Ganzen, von der die „empirische” Tatsachen-Fachwissenschaft selber ein ausgezeichneter Exponent ist.[49]

Und trotz dieses so begründeten Verzichts auf Geschichtsmetaphysik ist Webers eigene Forschung nach dem Geist des Kapitalismus – und zwar im Widerspruch zu seinem fachwissenschaftlichen Selbstbewusstsein – auch alles andere als eine rein „empirische“ Feststellung vereinzelter „Tatsachen” und demnach ein „Steuern ins Uferlose”. Eine rein fachwissenschaftliche Tatsachenfeststellung ist sie nicht mehr und nicht anders als der Mensch Weber ein Fachmensch war. Wenn Weber auch nicht so „töricht-doktrinär” war, den Geist des Kapitalismus rein religions-soziologisch deduzieren zu wollen, so ist er doch auch keineswegs so uferlos betriebsam und steuerlos gewesen, dass er sich mit der Anhäufung abstrakter Empirie hätte begnügen können. Das „Positive“ seiner als Kritik an Marx verstandenen Untersuchungen besteht zwar nicht in einer dogmatischen Umkehrung der vulgärmarxistischen Methode aber doch in einer grundsätzlichen, wenn gleich andersartigen Methode. Die Andersartigkeit seiner Methode ist aber dem, was er selber über sie sagt, nicht ohne weiteres zu entnehmen, sondern nur aus ihrem Zusammenhang mit dem Ganzen seines Verhaltens zur Wirklichkeit – inbegriffen die der Wissenschaft – zu ersehen.

Er selbst bezeichnet die Differenz seiner Methode zu der des Marxismus mit der Unterscheidung einer „empirischen“ und „dogmatischen“ Methode. Der eigentliche Sinn aber seines „empirischen“ Vorgehens liegt nur scheinbar im Fortschreiten von einer notwendigen „Einseitigkeit” der fachwissenschaftlichen Betrachtung zur fachwissenschaftlichen „Vielseitigkeit”, im Gegensatz zur dogmatischen Eindeutigkeit einer Weltformel. Ihr wirklicher Sinn liegt vielmehr darin, dass Weber mit seinem Verzicht auf „allseitiges Menschentum” und umfassende „Weltformel“ jegliche Festlegung auf irgendwelche bestimmten Gegebenheiten entkräften wollte und damit auch deren mögliche Ausweitung zu einem illusorischen „Ganzen”. Was er faktisch bekämpft, ist nicht die Totalität der Existenz und Betrachtung, sondern die mögliche Versteifung einer Partikularität zu einem Ganzen, also eine bestimmte Art von – scheinbarer – Totalität. Die wirklich mögliche Totalität aber, welche er selbst praktizierte, war nicht die Zusammennahme aller möglichen Einseitigkeiten zu einer sogenannten Vielseitigkeit, sondern die negative Totalität der Bewegungsfreiheit nach allen Seiten, die Durchbrechung eines jeden „Gehäuses“, jeder praktischen und theoretischen Einrichtung, Ordnung und Sicherung – um jenen Rest von „Individualismus” auch in der Wissenschaft zu bewahren, der ihm das wahrhaft Menschliche bedeutete. Auch die ungeheure Kasuistik seiner begrifflichen Definitionen in „Wirtschaft und Gesellschaft” hat nicht nur den Sinn: die Wirklichkeit definitorisch einfangen und festzulegen, sondern zugleich und vor allem den Gegensinn eines offenen Systems von „Möglichkeiten”.[50] Er benutzt zwar ständig die „Vorteile der Arbeitsteilung”, also überhaupt der Rationalisierung – solange der „Erfolg“ für sie spricht, zugleich betont er aber auch die „Unwirklichkeit” dieser die Wirklichkeit theoretisch aufteilenden Einseitigkeit (W.L., S. 170). Und trotzdem oder vielmehr gerade deshalb kann er behaupten, dass die Soziologie, die er treibe, „Wirklichkeitswissenschaft” sei. Wirklichkeitswissenschaft war sie aber in Wahrheit nicht dadurch, dass sie die Wirklichkeit wie etwas immer Gleiches und Feststehendes auf die einzig mögliche Art rein wissenschaftlich begriffen hätte, sondern dadurch, dass sich Weber – im Wissen um die Fraglichkeit unserer heutigen Ideale und Realitäten – zu dieser unserer Wirklichkeit ebenso frei im Zweck wie gebunden in den Mitteln und insofern „technisch” verhielt.[51] Und so entspringt auch die Eigenart seiner „empirisch”-fachlichen Methode daraus, dass er durch keinerlei Fach des Lebens und Wissens festgelegt war und jede „dogmatische“ Methode bekämpfte – nämlich als die wissenschaftliche Gestalt einer im Transzendenten befangenen Stellung des Menschen zur Welt, als eine vorschnelle Festlegung auf angebliche „letzte“ Instanzen, religiöser, gesellschaftlicher oder auch wirtschaftlicher Art.

In Wirklichkeit verzichtet Weber damit aber keineswegs – wie es nach seinen Ausführungen gegen Stammler (W.L., S. 166 ff.) zu sein scheint – auf jegliches Beherrschen und Begreifen des „Ganzen“ in seiner „Einheit”, also auf jede prinzipielle Methode. Das eigentümliche und einheitliche „Prinzip“ seines theoretischen und praktischen Verhaltens liegt nur sehr viel weniger offensichtlich zutage, als das dogmatisch-revolutionäre von Marx. Denn es besteht ja in der Anerkennung eines Widerspruchs – der rationalen, fachlichen Arbeitsteilung und Parzellierung der Seele, aber so, dass ihm gerade diese Rationalität der problematische Ort der Freiheit war. Diesen Widerspruch versuchte er auf seinem eigenen Boden zwar nicht zu „lösen” aber zu beherrschen. Und so ist nicht nur Marx, sondern auch Weber auf dem Boden der sogenannten „Tatsachen” nicht zu widerlegen, sondern nur in jenem Kampf der „Götter”, der prinzipiellen und in sich selber konsequenten Standpunkte, wenngleich mit den Mitteln der Wissenschaft. Es kann nicht nur, sonders es „muss” um die „regulativen Wertmaßstäbe“ selbst gestritten werden, und „es wird gestritten nicht nur, wie wir heute so gern glauben, zwischen »Klasseninteressen«, sondern auch zwischen Weltanschauungen – wobei die Wahrheit natürlich vollkommen bestehen bleibt, dass dafür, welche Weltanschauung der einzelne vertritt, neben manchem anderen auch und sicherlich in ganz hervorragendem Maße der Grad von Wahlverwandtschaft entscheidend zu werden pflegt, der sie mit seinem »Klasseninteresse« – wenn wir diesen nur scheinbar eindeutigen Begriff hier einmal akzeptieren – verbindet”. (W.L., S. 153).

Demgemäß hat Weber in seiner Abhandlung über die „Objektivität“ sozialwissenschaftlicher Erkenntnis an erster Stelle die Frage erörtert: „Was bedeutet und bezweckt wissenschaftliche Kritik von Idealen und Werturteilen?” und auch diese Erörterung „rational”, d. h. in Hinsicht auf das verantwortliche Verhältnis von Mittel und Zweck durchgeführt. Ein solcher Kampf ist durch nichts, auch durch keinen „Relationismus“ zu überwinden; denn wenn es sich wirklich um einen Kampf zwischen letzten Prinzipien und prinzipiellen Stellungnahmen handelt, dann ist es gar kein Kampf zwischen je „einseitigen” Perspektiven und Aspekten, sondern dann ist schon jedes Prinzip in sich selbst ein solches von universeller Bedeutung, Anfang und Ende einer grundlegenden Ansicht, von dem was wahrhaft-wirklich und damit auch wirklich wissenswert ist. Und weil Marx und Weber mit Rücksicht auf die uns umgebende Wirklichkeit zu wissen glaubten, was wahrhaft-wirklich und wahrhaft-menschlich ist, betraf ihre Wissenschaft auch schon ein „Ganzes”. Dieses Ganze ist nicht die Summe alles dessen, was es gibt, sondern die Zusammenfassung alles Bedeutsamen im Ganzen eines Prinzips, auf Grund dessen es dann im einzelnen durchforschbar wird. Das Ganze, das beide gleich ursprünglich in seiner Bedeutung gesehen und zum Gegenstand ihrer Untersuchungen gemacht haben, ist die Problematik der modernen Menschenwelt. Geleitet hat sie dabei eine bestimmte Idee von der Freiheit des Menschen und damit überhaupt vom Menschen. Eine solche „Idee” ist weder richtig noch falsch und noch weniger teilweise richtig und teilweise falsch. Sie ist keine Idee über den Menschen, sondern vom Menschen und als solche gehört sie selber zum Menschen. Ihre „Wahrheit” kann daher nur so bewiesen werden, dass sie sich menschlich bewahrheitet oder bewährt. Menschliche Wahrheiten gibt es aber prinzipiell mehr als eine – solange nämlich der Mensch kein „Gattungswesen” ist. Dass er dies nicht ist, liegt aber bereits im Sinne des als Unterscheidung durchgeführten Vergleichs.

 

[1] Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik (Tübingen), Bd. 67 (1932) Nr. 1, 175–217. – der Hrsg.

[2] K. Korsch, Marxismus und Philosophie2, S. 105, Anm. 67. Trotzdem heißt es noch in den „Theorien über den Mehrwert“ von 1861/63 (Bd. I, S. 388 f.): „Der Mensch selbst ist die Basis seiner materiellen Produktion wie jeder anderen, die er verrichtet. Alle Umstände also, die den Menschen affizieren, das Subjekt der Produktion, modifizieren mehr oder weniger alle seine Funktionen und Tätigkeiten, also auch seine Funktionen und Tätigkeiten als Schöpfer… der Waren.”

[3] Marx-Engels, Ges. Ausg. I/I S. 564. (Im folgenden wird dieser I. Halbband des I. Bandes der I. Abteilung mit: W. I, 1 bezeichnet, der im Marx–Engels-Archiv veröffentlichte Teil der Deutschen Ideologie mit: Deutsche Ideologie und der von Mehring herausgegebene literarische Nachlass von Marx und Engels mit: Nachlass.)

[4] Siehe Ernest Seillière, Der demokratische Imperialismus. Rousseau – Proudhon – Marx, 1911.

[5] Siehe des Verfassers Aufsatz: Hegel und Hegelianismus, Ztschr. f. deutsche Bildung, Nov. 1931.

[6] Dass der „Kosmopolitismus” dem staatlichen Leben „gegenüber”treten kann, zeigt, dass Hegel darunter einen Internationalismus verstand; vgl. dagegen Anm. 92.

[7] Zur Einheit gebracht ist diese für das ganze Schicksal der Philosophie des 19. Jahrhunderts grundlegende Differenz in der Bestimmung des Menschen (durch Hegel und Feuerbach-Marx) in gewisser Weise in Heideggers ontisch-ontologischer Bestimmung des Menschen als eines „Daseins”; siehe dazu des Verfassers Referat und Kritik in: Theolog. Rdsch. 1930, H. 1 u. 5, und Ztschr. f. Theol. u. Kirche 1930, H. 5.

[8] Vgl. hierzu des Verfassers Aufsatz über „Feuerbach und den Ausgang der klassischen deutschen Philosophie”, Logos 1928, 3, und „Das Individuum in der Rolle des Mitmenschen”, S. 5-13. Vg1. z. Folg. A. Ruges gleichsinnige Kritik an dem § 190 der Hegelschen Rechtsphilos. in: „Aus früherer Zeit” IV, S. 359.

[9] „Die Philosophie zur Sache der Menschheit zu machen, das war mein erstes Bestreben. Wer aber einmal diesen Weg einschlägt, kommt notwendig dazu, den Menschen zur Sache der Philosophie zu machen und die Philosophie selbst aufzuheben; denn sie wird nur dadurch Sache der Menschheit, dass sie aufhört, Philosophie (nämlich aparte Schulphilosophie) zu sein.” In differenzierterer Fassung wiederholt sich dieser Grundsatz bei Marx in dessen Forderung, dass aus dem „Philosophischwerden der Welt” (nämlich bei Hegel) ein „Weltlichwerden der Philosophie” hervorgehen müsse, aus ihrer „Verwirklichung” zugleich ihr „Verlust”. (W. I., 1. S. 64, 131 ff., 613.) Und schon Herder stellte die Frage: „Wie kann die Philosophie mit der Menschheit und Politik versöhnt werden, so dass sie ihr auch wirklich dient?”, und beantwortete sie mit der Forderung einer „Einziehung“ der Philosophie auf „Anthropologie”.

[10] W. I, 1 S. 607 ff.

[11] Die Differenz zwischen Marx und Feuerbach, wie sie am schärfsten in den bekannten 11 Thesen zusammengefasst ist, lässt sich allgemein so bezeichnen, dass Marx – im Prinzip auf dem anthropologischen Standpunkt Feuerbachs stehend – den Gehalt von Hegels Lehre vom objektiven Geiste gegen Feuerbachs weltlose Ich-Du-Problematik zur Geltung gebracht hat. Er wendet sich gegen Feuerbach, weil dieser nur einen „abstrakten Menschen, d. h. einen Menschen, abgesehen von der Welt”, zur Grundlage der Philosophie gemacht habe. Gerade diese „Welt” der politischen und wirtschaftlichen Lebensverhältnisse hatte aber Hegels Rechtsphilosophie sichtbar gemacht. Unbestritten bleibt Feuerbach nur das Verdienst, dass er überhaupt vom absoluten „Geist“ auf den nackten Menschen zurückgegangen ist. Die Art und Weise aber, wie und wodurch er dieses Menschsein konkret bestimmt hat, nämlich ausschließlich als naturalistisches Gattungswesen, durch Sinnlichkeit und Dubezogenheit, dies zeigte Marx, dass Feuerbach Hegel nur „beiseitegeschoben”, aber nicht „kritisch überwunden“ habe. Feuerbach hat einen Menschen konstruiert, dessen Realität bestenfalls das Dasein der bürgerlichen Privatperson widerspiegelt. Seine Theorie von Ich und Du zieht sich nämlich ganz so wie der bürgerliche Privatmensch in der Praxis auf das private Verhältnis von Einzelpersonen zurück, in angeblicher „Liebe” und „Freundschaft”, ohne zu wissen, dass ihm nicht nur die scheinbar „rein-menschlichen Lebensverhältnisse, sondern auch noch die primitivsten Gegenstände der sinnlichen Gewissheit” durch die allgemeinen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse seiner Welt vorgezeichnet und vorgegeben sind (Deutsche Ideologie, S. 242 ff., 252, 263). So kommt Marx in die Lage: Hegels konkrete Analysen der Rechtsphilosophie, die er hinsichtlich ihres philosophischen Anspruchs selbst untergräbt, doch gegen Feuerbach zur Geltung zu bringen und anderseits Hegel im Prinzip vom. anthropologischen Standpunkt Feuerbachs aus anzugreifen. Er verteidigt Hegel gegen Feuerbach, weil Hegel die für jeden einzelnen entscheidende Bedeutung des allgemeinen und gesellschaftlichen Geschehens zur Darstellung gebracht hat und er greift Hegel an, weil er diese allgemeinen Verhältnisse philosophisch verabsolutiert und mystifiziert hat. Dass aber schon Feuerbach selbst ein Bewusstsein von der Vorläufigkeit seiner Thesen gehabt hat, zeigt deutlich das Vorwort seiner Grundsätze, welches damit schließt, dass die „Konsequenzen“ seiner Grundsätze der Philosophie der „Zukunft” nicht ausbleiben werden. Diese Konsequenzen hat Marx gezogen.

[12] Dass der Mensch seinem Wesen nach Mensch der Gesellschaft, d.h. gesellschaftlicher Mensch ist, steht für Marx von Anfang an fest – es ist dies die conditio sine qua non seiner Anthropologie. „Wenn der Mensch von Natur gesellschaftlich ist, so entwickelt er seine wahre Natur erst in der Gesellschaft und man muss die Macht seiner Natur nicht an der Macht des einzelnen Individuums, sondern an der Macht der Gesellschaft messen.” (Nachlass II, S. 239 u. 58; vgl. Zur Kritik d. p. Ök., S. XIV, und 10. These gegen Feuerbach).

[13] Vgl. zum folgenden G. Lukács, Geschichte und Klassenbewusstsein (S. 94 ff.), wo die prinzipielle Bedeutung und Struktur von Marxens Analyse der Ware mit einem an Hegel geschulten Marxverständnis erstmalig aufgewiesen worden ist.

[14] Vgl. Nachlass, II, S. 151 und die analogen Darlegungen (in der Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie) über die Unmöglichkeit einer Aufhebung der menschlichen Selbstentfremdung innerhalb eines selbst noch „politischen“ Staats, monarchischer oder auch republikanischer Form.

[15] Deutsche Ideologie, S. 253 ff., 302 und „Sankt Max”, Dokumente des Sozialismus IV S. 214 ff.

[16] Die besondere Sorgfalt, welche Weber (Wirtsch. u. Ges. II, c. VIII) der historischen Soziologie der Stadt widmet hat, zeigt auch hier wiederum deutlich die sachliche Identität von Selbstentfremdung und Rationalisierung.

[17] Deutsche Ideologie, S. 287; vgl. S. 248 ff. und dazu Engels Anti-Dühring, S. 312 ff. Dem Hohn von Engels auf Dührings „Karrenschieber und Architekten” entspricht der Satz von Marx: „Ursprünglich unterscheidet sich ein Lastträger weder von einem Philosophen als ein Kettenhund von einem Windhund. Es ist die Arbeitsteilung, welche einen Abgrund zwischen beiden aufgetan hat.”

[18] In diesem Doppelcharakter der Ware äußert sich bereits eine bestimmte Auseinandergesetztheit der warenproduzierenden Gesellschaft an ihr selbst, denn auch die Ware selbst ist eine „gesellschaftliche Substanz”, abstrakte menschlich-gesellschaftliche Arbeit. Weber hat in der „Börse” diese Verteilung von Produktion und Konsumption noch rein marxistisch dargestellt.

[19] Diese Analyse von Marx zeigt indirekt die gesellschaftliche Grenze von Heideggers Analyse der „Werkwelt” (Sein und Zeit I, S. 66 11.). Durch die Orientierung alles innerweltlich Seienden am „Dasein” als einem je eigenen reduziert sich nicht nur das Problem der Gesellschaftlichkeit des Daseins auf das des „Man”, sondern ineins damit bleibt auch der gesellschaftliche Charakter unserer Gebrauchsgegenstände – des zuhandenen „Zeugs” – in seiner ontologischen Eigenart unentdeckt. Dass unser Zeug Warencharakter hat und die Ware eine „gesellschaftliche“ Substanz ist, wird erst sichtbar, wenn auch das Dasein selbst nicht nur als eigentliches und öffentliches Mitsein und Miteinandersein gefasst wird, sondern als ein solches, in dem der eine wie der andere und alle miteinander gesellschaftlich verallgemeinert sind. Die Art und Weise, wie sie jedoch „verallgemeinert” sind, bestimmt sich in der bürgerlichen Gesellschaft gerade dahin, dass diese eine Gesellschaft von „vereinzelten Einzelnen”, eine „abstrakte Allgemeinheit” ist und sich eben damit ihren eigenen gesellschaftlichen Charakter verdeckt. (Siehe Marx, Z. Krit, d. p. Ök., S. 9ff.) Um aber, wie es von marxistischer und auch nichtmarxistischer Seite geschehen ist, Heideggers Existenzphilosophie „kleinbürgerlich” nennen zu können, dazu müsste man schon so großzügig sein, ihr Prinzip der Individuation, den Tod, für ein kleinbürgerliches Phänomen zu halten. Tolstoi hat aus dem Tod die Sinnlosigkeit des ganzen gesellschaftlichen Zivilisationsprozesses gefolgert (siehe Weber, Wiss. a. Beruf, W.L., S. 536).

[20] In Wirklichkeit ist aber diese „Eigengesetzlichkeit“ kein unmittelbarer Tatbestand, von dem man ausgehen könnte (um ihn nachträglich relativieren zu müssen), sondern ein vermitteltes Resultat der Verselbständigung. Vgl. Engels Brief an C. Schmidt vom 27. Oktober 1890, Dok. d. Soz. II, S. 65 ff.

[21] Zum Fetischcharakter des zinstragenden Kapitals, siehe Kapital (1929) III, 1, S. 339 ff.

[22] Dass dies freilich ein bloßer Anschein, eine „Charaktermaske” ist, hinter der in jedem Fall die „Herrschaft der Produktionsbedingungen“ über den Produzenten steckt, versteht sich für den Marx des Kapitals von selbst. (Vgl. Kapital III, 2 S. 326/27.).

[23] Über beide Zusammenhänge siehe insbes. die methodische Zusammenfassung in Kapital I6 S, 160 und Marxens Brief an Engels vom 22. Juni 1867 (W. III, 3 S. 396).

[24] Zu der, auch für die Interpretation nicht unwichtigen Datierungsfrage siehe neuerdings: E. Lewalter, Zur Systematik der Marxschen Staats- und Gesellschaftslehre, dieses Archiv.

[25] Vgl. A. Ruge, Die Hegelsche Rechtsphilosophie und die Politik unserer Zeit, Deutsche Jahrb. f. Wiss. u. Kunst 1842.

[26] Wie zutreffend diese Charakterisierung ist, zeigt sich nicht zuletzt in der entgegengesetzten Konsequenz, welche Max Weber eben daraus gezogen hat.

[27] Deutsche Ideologie S. 289; zugleich weist Marx aber auch darauf hin, dass der Unterschied zwischen „persönlichem“ und relativ „zufälligem” Individuum zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Sozietäten einen ganz verschiedenen Sinn hat; so kann z. B. der „Stand” oder die Familienzugehörigkeit für das Individuum des 18. Jahrhunderts eine zufällige, zu andern Zeiten aber eine höchst persönliche Bedeutung haben. Es ist also jeweils eine ganz bestimmte Sphäre des Lebens, von der aus sich der eigentliche und allgemeine Begriff vom „Mensch-” und „Individuum”-Sein in seiner Eigenart bestimmt. Diese Sphäre ist für den Menschen der bürgerlichen Epoche die private.

[28] Eine konzentrierte geschichtliche Darstellung dieser „alt gewordenen” Welt gibt Marx 10 Jahre später – 1852 – im „18. Brumaire des Louis Bonaparte”. Diese Epoche der bürgerlichen Revolution interpretiert er als die Selbstkarikatur der großen bürgerlichen Revolution von 1789. Die Leidenschaften dieser Epoche seien ohne Wahrheit und ihre Wahrheiten ohne Leidenschaft, ihre vollkommen „nüchtern“ gewordene Wirklichkeit ertrage sich nur noch durch Entlehnungen, ihre Entwicklung sei eine beständige Wiederholung derselben Spannungen und Abspannungen, ihre Gegensätze solche, die sich auf die Höhe treiben, nur um sich abzustumpfen und zusammenzufallen, ihre Geschichte eine Geschichte ohne Ereignisse, ihre Helden ohne Heldentaten, ihr erstes Gesetz sei die Entscheidungslosigkeit. Zeitgeschichtlich gesehen wird hier unverkennbar, wie sehr Kierkegaard mit seiner „Kritik der Gegenwart” der Zeitgenosse von Marx ist und wie beide den entscheidenden Bruch mit Hegels Philosophie des Geistes in entgegengesetzter Richtung verkörpern.

[29] Vgl. dagegen Deutsche Ideologie, S. 252, wo nun der Kommunismus gerade als der „wirklich” bestehende gefasst wird – wenngleich seine „Wirklichkeit” allgemein als eine „Bewegung“ bezeichnet wird.

[30] Der eigentliche Privatmensch der Antike war der Sklave, indem er nicht an der res publica teilhatte; gerade deshalb war er aber auch schon gar nicht mehr im vollen Sinne „Mensch” (W.I, I S. 437). Desgleichen bedeutete im Mittelalter jede private Lebenssphäre gleich wesentlich auch eine öffentliche Sphäre des Lebens. „Im Mittelalter ist Volksleben und Staatsleben identisch. Der Mensch ist das wirkliche Prinzip des Staats, aber der unfreie Mensch.” Erst die französische Revolution hat den Menschen als Bourgeois politisch emanzipiert und damit den Privatstand als solchen zum spezifischen Stand des Menschseins ausgebildet – obwohl gerade sie jeden Menschen zum Staatsbürger machen wollte (W. I, 1 S. 592 ff.).

[31] Vgl. Ruges Brief an Marx von 1843 (W. I, 1 s. 558) Wo Ruge als „Motto seiner Stimmung” Hölderlins bekannten Aufruf aus dem Hyperion zitiert: „Handwerker siehst du aber keine Menschen, Denker aber keine Menschen, Herren und Knechte aber keine Menschen …” usw., und Marxens zustimmende Antwort darauf.

[32] J. Burckhardt hat als ausgesprochener Privatmensch auch noch in die Antike gerade diese moderne Freiheit vom Staat hineingedeutet (Griech. Kulturgesch. 3, VIII, 4).

[33] Die wahre „Demokratie” bedeutet also für Marx ursprünglich „klassenlose Gesellschaft” im Sinne einer „zur Kosmopolis vollendeten polis, eine Gemeinschaft der Freien im Sinne des Aristoteles”; siehe Lewalter, dieses Archiv.

[34] Deutsche Ideologie S. 286 ff., vgl. Nachlass II S. 222 ff.

[35] Siehe hierzu die Analyse von Lukács, a. a. O. S. 188 ff.

[36] Dies ist für Weber die Konsequenz dessen, dass die „letzten Werte“ aus der „Öffentlichkeit” zurückgetreten sind; siehe „Wiss. a. Beruf.“, W.L., s. 554 und „Pol. a. Beruf”, 806. Polit. Schr., S. 449.

[37] Vgl. K. Korsch, a. a. O., S. 98, Anm. 56.

[38] Deutsche Ideologie, S. 240 (der Ausdruck stammt bei Marx von Hegel).

[39] Gattungswesen aber nicht im naturalistisch-moralistischen Sinn von Feuerbach, sondern im Hegelschen Sinne einer Einheit der allgemeinen und privaten Sonderinteressen (siehe insbes. „Sankt Max”, Dok. d. Soz. IV S. 215 f., und Deutsche Ideologie S. 250 ff.). Es versteht sich von selbst, dass diese Entrationalisierung von Marx nicht als utopische Rückkehr zu einem „Urkommunismus“ gedacht war, sondern als eine Rationalität höherer Stufe, als wahrhaft „rationelle” Regelung der gesamten Produktionsverhältnisse unter „gemeinschaftlicher Kontrolle”, auf dem Boden der erreichten Entwicklungsstufe des Produktionsprozesses. Dementsprechend reduziert sich auch im Kapital die Idee der „Freiheit” auf die nüchterne Feststellung, dass auch nach dieser Vergemeinschaftung das „Reich der Freiheit“ doch erst „jenseits der eigentlichen materiellen Produktion” beginne, während sie innerhalb der durch äußerliche Not und Notwendigkeit bestimmten Arbeit nur darin bestehen könne, „dass der vergesellschaftete Mensch, die assoziierten Produzenten, diesen ihren Stoffwechsel mit der Natur rationell regeln”. (Kapital III, 2 S. 315/16, von uns gesperrt.) Voraussetzung auch dieser beschränkton Freiheit ist und bleibt aber – im Unterschied zum privaten „Müßiggang eines Teiles der Gesellschaft” – doch der „vergesellschaftete Mensch” und dies bedeutet nicht: für sich Privatmensch bleiben und im übrigen vergesellschaftet sein, sondern: Gattungswesen sein. Wenn also Marx sagt, dass sich im Reiche der Freiheit jeder als „Selbstzweck” gilt, so hat das nicht dieselbe Bedeutung wie etwa in der bürgerlichen Philosophie Kants, welche den Menschen auch als einen „Selbstzweck“ bestimmt hat (diese Art von Selbstheit bekämpft Marx durchaus gemeinsam mit Hegel); sondern: Das „Ich”, welches sich hier „selbst” bezweckt, ist immer schon vorausgesetzt als gesellschaftliches Gattungswesen. Dem widerspricht nicht, dass auch die „bürgerlichen” Denker mit ihrem Begriff vom Menschen als einem „Selbstbewusstsein”, „Selbstzweck” und „Selbstverhältnis” das allgemeine Wesen des Menschen, etwas Allgemein-menschliches, die Menschheit des Menschen, treffen wollen. Auch noch Stirners Begriff vom „Einzigen” und Kierkegaards Grundbegriff vom Menschen als einem „Einzelnen” intendiert ja nicht eine menschliche Besonderheit, sondern gerade das, was jeder Mensch seinem Wesen nach ist, sein kann und sein soll (siehe hierzu des Verfassers „Das Individuum in der Rolle des Mitmenschen”, § 44 und 45). Der Unterschied liegt in dem, wodurch dieses Allgemeine positiv ausgezeichnet ist – ob durch Vereinzelung eines jeden auf sich qua Einzelnen oder durch Vergesellschaftung der Individuen zur Gemeinschaftlichkeit gerade auch ihrer „persönlichen” Interessen in einem „Reich“ der Freiheit.

[40] Deutsche Ideologie, insbes. S. 235, 241, 252, 268, 297; dazu: Sankt Max, Dok. d. Soz. IV, 320. Vgl. h II S. 139 und später, im „Elend der Philosophie” S- 110, gegen die bloße „Kategorien der Arbeitsteilung“.

[41] Diese Analogiebildung zu Marxens Kritik der „Kritischen Kritik” stammt von dem Marxisten K. Korsch.

[42] W. I, 1 S. 613.

[43] Siehe Marianne Weber, Max Weber, S. 617.

[44] Marx, Zur Kritik der polit. Ökonomie, S. LVII.

[45] Weber setzt dabei voraus, dass die Frage nach dem „Ganzen“ ebenfalls nur „kausal”wissenschaftlich zu stellen sei, was aber nur sinnvoll ist, solange auch noch das Ganze als eine Summe von zwei Teilgebieten – Religion und Sozietät – vorgestellt wird. Faktisch kennt aber Webers eigene Untersuchung sehr wohl ein Ganzes, demgegenüber die Zurechnungsfrage hinfällig wird, nämlich das gebietsmäßig unableitbare und auch unzurechenbare Ganze der menschengeschichtlichen Tendenz zur Rationalisierung überhaupt. Vgl. hierzu G. Lukács‘ Unterscheidung der „Wirklichkeit” allgemeiner Entwicklungstendenzen der Geschichte von den einzelnen „Tatsachen” der Empirie, a. a. O, S. 198 ff.

[46] Siehe Rel. Soz. I, S. 37, 53, 60, 83, 205, 238 ff., 259, und W.L., S. 166 ff. und 170.

[47] Vgl. J. B. Kraus, „Scholastik, Puritanismus und Kapitalismus”, 1930, S. 234 ff. und 243 ff. Wie unzutreffend Kraus‘ Kritik an Weber ist, geht aus den in Anm. 107 bezeichneten Äußerungen von Weber hervor.

[48] Vgl. dazu Rel. Soz. I, S. 238 ff., 259 und insbes. die Anm. 1 auf S. 192, Anm. 3 auf S. 200 und Anm. 3 auf S. 205.

[49] Siehe G. Lukács, a. a. O, S. 115 ff., 198 ff.

[50] Siehe W.L., S. 184 u. 206 ff., vgl. Walther a. a. O. S. 54 ff.

[51] Siehe W.L., S. 5, 87, 344, 348, 375 usw.